Rz. 54

§ 32 Abs. 4 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen für volljährige Kinder Kindergeld oder Freibeträge (Kinderfreibetrag, Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag) gewährt werden. Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, können bis zu dem Monat, in dem sie das 21. Lebensjahr vollenden, aufgrund von Arbeitslosigkeit (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG) berücksichtigt werden. Bis zu dem Monat, in dem sie das 25. Lebensjahr vollenden, können Kinder darüber hinaus berücksichtigt werden, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), oder wenn sie eine beabsichtigte Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen können oder diese freiwillig unterbrochen wird (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, c, d EStG). Darüber hinaus können behinderte Kinder unter den weiteren Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden.

Ab 2012[1] (Rz. 9b) kommt es für ein berücksichtigungsfähiges Kind, das sich in einer ersten Berufsausbildung oder einem Erststudium befindet, nicht mehr darauf an, ob es einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums besteht die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, und damit nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Vermutung gilt durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt. Eine Erwerbstätigkeit ist insoweit unschädlich, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt. Ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind ebenfalls unschädlich[2] (Rz. 84).

Die Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes bis zum 30.7.2011 bzw. ab Juli 2011 des freiwilligen Wehrdienstes ist nicht begünstigt.[3] Stattdessen gilt der Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 S. 1 EStG, der die wehr- oder ersatzdienstbedingten Tatbestände enthält, die zur verlängerten Berücksichtigung über das 25. Lebensjahr hinaus führen.

Durch das StÄndG 2007 (Rz. 9a) wurde die Altersgrenze für die Kindberücksichtigung von der Vollendung des 27. Lebensjahrs auf die Vollendung des 25. Lebensjahrs abgesenkt. Zur Vermeidung von Härten wurde in § 52 Abs. 40 S. 4 EStG eine Übergangsregelung geschaffen.

 

Rz. 55

Bis 2010 war ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass eine typische Unterhaltssituation[4] bestehen musste, d. h. bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes oder dessen Eheschließung bestand nach der Rspr. grundsätzlich kein Anspruch auf Kindergeld. Begründet wurde dies mit dem Zweck des Familienleistungsausgleichs, der darin bestehe, die verminderte Leistungsfähigkeit aufgrund bestehender Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen.[5] Übte das Kind eine Vollzeiterwerbstätigkeit aus, war es i. d. R. in der Lage, seinen existenznotwendigen Bedarf selbst zu decken, sodass die Eltern von ihren Unterhaltspflichten befreit waren. Diese Rspr. hat der BFH aufgegeben. Eine Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes neben einer ernsthaft und nachhaltig betriebenen Ausbildung stand danach nur dann der Berücksichtigung (für das ganze Jahr) nicht entgegen, solange die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag nicht überschritten.[6] Im Jahr 2010 hat der BFH dies ausgedehnt auf die weiteren Berücksichtigungstatbestände von § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG[7] und ausdrücklich auf das "Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation" verzichtet.

Auch nach einer Eheschließung des Kindes bestand die typische Unterhaltssituation nicht mehr, da dem Kind gegenüber dann in erster Linie sein Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet war (§ 1608 S. 1 BGB). Die Eltern waren nur nachrangig zum Unterhalt verpflichtet, soweit der Ehegatte nicht leistungsfähig war (§ 1608 S. 2 BGB).

Ein verheiratetes volljähriges Kind war daher grds. nicht mehr zu berücksichtigen. Eine Ausnahme galt nur dann, wenn das Einkommen des Ehegatten so gering war, dass dieser zum Unterhalt des Kindes nicht in der Lage war und die Eltern weiterhin Unterhaltszahlungen leisten mussten.[8] Ein sog. Mangelfall lag somit dann vor, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes einschl. der Unterhaltszahlungen des Ehegatten den Grenzbetrag als Kindesexistenzminimum nicht überstiegen.[9]

Nach Wegfall des Grenzbetrags ab 2012 kommt es für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes für das Kindergeld nicht mehr auf dessen Einkünfte und Bezüge an. Mithin ist auch nicht mehr entscheidend, ob bei verheirateten Kindern ein sog. Mangelfall vorliegt.[10] Auch eine Unterscheidung in unverheiratete und verheiratete Kinder hat zu unterbleiben.[11] Dem folgt auch die Finanzverwaltung – ab der DA-KG 2015 sind entsprechende Ausführungen nicht mehr enthalten.

 

Rz. 56

Die besonderen Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Kindes über das 18. Lebensjahr hinaus sind vom Stpfl. nachzuweisen bzw. glaubhaf...

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