Rz. 100

Der Nachversteuerungstatbestand des § 2a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG erfasst den Fall, dass die von der Betriebsstätte ausgeübte Geschäftstätigkeit von der Betriebsstätte aufgegeben und stattdessen von einem anderen Rechtsträger ganz oder teilweise fortgeführt wird. Dieser Tatbestand soll Gestaltungen verhindern, die als missbräuchlich angesehen werden können, obwohl Missbrauch nicht zum Tatbestandsmerkmal der Vorschrift gehört. Gedacht ist an den Fall, dass die Betriebsstätte ihren Geschäftsbetrieb nicht überträgt (dann läge der Tatbestand der Nr. 2 vor), sondern ihn einstellt und eine andere Person diese Geschäftstätigkeit fortführt, ohne dass insoweit eine Übertragung des Geschäftsbetriebs erfolgt ist. Dagegen führt die Einstellung der Betriebsstätte ohne Fortführung durch eine nahestehende Person nicht zur Nachversteuerung, soweit die Betriebsaufgabe nicht die Aufdeckung stiller Reserven auslöst.

 

Rz. 101

Die Nachversteuerung tritt nur ein, wenn die bisher von der Betriebsstätte ausgeübte Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise von einer Gesellschaft fortgeführt wird. Die Aufgabe (Liquidation) der Betriebsstätte ohne Fortführung der Geschäftstätigkeit durch einen anderen führt nicht zur Nachversteuerung.[1] Daher löst die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit in dem ausl. Staat keine Nachversteuerung aus. Soweit frühere Verlustabzüge bis dahin noch nicht durch ausl. Gewinne (einschl. Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne) ausgeglichen worden sind, bleibt es bei dem Verlustabzug, die Steuerermäßigung wird also definitiv. Diese Wirkung ist gewollt, da sich die Verluste infolge der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit im Ausland nicht mehr auswirken können, sie aber dann wenigstens im Inland zu einer Steuerermäßigung führen sollen.

 

Rz. 102

Die Fortführung muss im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe der Betriebsstätte stehen. Die Nachversteuerung entfällt, wenn die Betriebsstätte aufgegeben wird und später eine nahestehende Person die gleiche oder eine ähnliche Tätigkeit ohne sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte neu aufnimmt. In diesem Fall ist die Tätigkeit der Betriebsstätte nicht "fortgeführt" worden.

 

Rz. 103

Auffällig ist, dass der Fortführende eine Gesellschaft (Personengesellschaft oder juristische Person) sein muss; die Fortführung durch eine nahestehende natürliche Person führt also nicht zur Nachversteuerung.

 

Rz. 104

An der Gesellschaft muss der bisherige Träger der Betriebsstätte unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt sein. Dann stellt das Gesetz die unwiderlegbare Vermutung auf, dass das Einstellen der Geschäftstätigkeit durch die Betriebsstätte erfolgte, um der Gesellschaft diese Geschäftstätigkeit zu ermöglichen. Die Nachversteuerung tritt ebenfalls ein, wenn eine dem Träger der Betriebsstätte nahestehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist.[2]

 

Rz. 105

Weitere Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte ganz oder teilweise fortführt. Es genügt also nicht, dass die Gesellschaft lediglich eine Geschäftstätigkeit gleicher Art ausübt. Fortführung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte bedeutet, dass eine sachliche Beziehung zwischen der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte und der der Gesellschaft besteht, die die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft als eine Fortsetzung der Betriebsstätte erscheinen lässt. Das bedeutet, dass es sich um eine Geschäftstätigkeit der gleichen Art handeln muss; gleicher Umfang ist aber nicht erforderlich. Außerdem muss die Geschäftstätigkeit in irgendeiner Weise mit der der Betriebsstätte sachlich verbunden sein. Das ist z. B. der Fall bei der Übernahme der Kunden und/oder Lieferanten, der Übernahme des Personals und/oder der Übernahme von Anlage- und Umlaufvermögen. Es muss nicht jeder der genannten Faktoren vorliegen, jedoch eine so enge sachliche Verbindung zwischen der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte und der der Gesellschaft bestehen, dass die Geschäftstätigkeit als Fortführung, nicht als Aufnahme einer (neuen) Geschäftstätigkeit angesehen werden kann.

 

Rz. 106

Sind die Voraussetzungen des Tatbestands der Nr. 3 erfüllt, ist die Nachversteuerung nicht auf die stillen Reserven der eingestellten Betriebsstätte beschränkt.[3] Der Grund für die Besteuerung über die vorhandenen stillen Reserven hinaus besteht darin, dass infolge der Aufgabe der Betriebsstätte und der Weiterführung durch eine andere Person künftiges Nachversteuerungspotenzial verloren geht. Dies soll durch die vollständige Nachversteuerung erfasst werden.

 

Rz. 107

Regeln zur objektiven Beweislast enthält diese Vorschrift nicht. Die objektive Beweislast trifft also die Finanzverwaltung, da sie eine Nachversteuerung durchführen will. Da sich die Fortführung der Geschäftstätigkeit im Ausland abspielt, dürfte die Finanzverwaltung insoweit erheblichen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt sein. Allerdings greift für sie die Beweiserleichterun...

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