7.1 Gesamtschuld

 

Rz. 33

Nach § 26b EStG i. V. m. § 44 Abs. 1 S. 1 AO haften zusammen zur ESt veranlagte Ehegatten als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass jeder der Ehegatten die gesamte Steuer schuldet, das FA sie jedoch nur einmal zu fordern berechtigt ist.[1] Die Gesamtschuldnerschaft gilt auch für Vorauszahlungen nach § 37 EStG auf die ESt des laufenden Jahres, wenn die Ehegatten im vergangenen Jahr zusammenveranlagt worden waren.[2] Zu Verspätungszuschlägen s. Rz. 27, zu Säumniszuschlägen und Zinsen s. Rz. 28. Die Gesamtschuldnerschaft hat zur Folge, dass das FA die Steuerschuld wahlweise gegenüber jedem Ehegatten geltend machen kann.[3] Die Erfüllung, die Aufrechnung und die Sicherheitsleistung durch einen Ehegatten wirken auch zugunsten des anderen (§ 44 Abs. 2 S. 1 u. 2 AO).

 

Rz. 34

Müssten beide Ehegatten unvermeidlich für die ESt einstehen, wäre dies unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG unzulässig.[4] Das Gesetz räumt daher den Ehegatten die Möglichkeit ein, zwar nicht die Steuerschuld, wohl aber die Vollstreckung durch Herbeiführung einer Aufteilung einzuschränken (§§ 268ff. AO). Der Grundgedanke der Regelung ist folgender: In der Mehrzahl der Fälle wird die ESt-Schuld anstandslos gezahlt, sodass die gesamtschuldnerische Haftung ohne jede praktische Bedeutung ist. Nur in seltenen Fällen wird die Vollstreckung eingeleitet. Müsste das FA in jedem Veranlagungsfall die Steuerschuld vorsorglich auf die Ehegatten aufteilen, wäre das mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Er wird vermieden, wenn im Regelfall eine Aufteilung nicht erfolgt und das FA erst im Vollstreckungsfall auf Antrag tätig wird.

 

Rz. 35

Der interne Ausgleich zusammenveranlagter Ehegatten ergibt sich aus § 426 Abs. 1 BGB. Danach sind Ehegatten im Innenverhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 BGB). Nach der Rspr. der Zivilgerichte ist ein Maßstab das Verhältnis der Einkünfte zueinander.[5] Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der Steuern, die auf die Einkünfte der einzelnen Gesamtschuldner entfallen.[6] Sachgerecht ist allein ein Ausgleichsmaßstab ausgehend von dem Verhältnis, das sich bei Einzelveranlagung ergeben würde, entsprechend § 270 AO.[7] Der umfassende interne Steuerausgleich nach dem Anteil an der von beiden Ehegatten gemeinsam festgelegten ESt-Schuld gilt auch für Steuernachzahlungen und Erstattungen.

[3] Einzelheiten bei Helliger, DStR 1977, 127f.
[4] Vgl. zum LAG BVerfG v. 21.2.1961, 1 BvL 29/57, 20/60, BStBl III 1961, 55.
[5] BGH v. 6.12.1978, IV ZR 82/77, DB 1979, 1225; BGH v. 31.5.2006, XII ZR 111/03, BFH/NV Beilage 2006, 508.
[7] BGH v. 31.5.2006, XII ZR 111/03, BFH/NV Beilage 2006, 508; Witt, DStR 2006, 56; Ettlich in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 26b EStG Rz. 52.

7.2 Aufteilungsverfahren nach §§ 268ff. AO

 

Rz. 36

Die Aufteilung erfolgt nur auf Antrag (§ 268 AO)[1]; das FA muss aber in geeigneten Fällen nach § 89 AO die Stellung des Antrags anregen.[2] Der Antrag kann frühestens nach der Bekanntgabe des Leistungsgebots gestellt werden (§ 269 Abs. 2 S. 1 AO), da erst dann die Gefahr einer Inanspruchnahme besteht.[3] Nach vollständiger Zahlung der Steuer ist der Antrag nicht mehr zulässig (§ 269 Abs. 2 S. 2 AO). Wird der Antrag vor Einleitung der Vollstreckung gestellt, wird die zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags geschuldete Steuer aufgeteilt (§ 276 Abs. 1 EStG). Erfolgt die Antragstellung erst nach Einleitung der Vollstreckung, ist nur diejenige Steuer aufzuteilen, wegen der vollstreckt wird (§ 276 Abs. 2 AO).

Durch die Aufteilung wird die durch die Zusammenveranlagung entstandene Gesamtschuld für Vollstreckungszwecke in Teilschulden aufgespalten, um die Vollstreckung auf den sich für den Ehegatten ergebenden Anteil zu beschränken. Die Vollstreckungsbeschränkung wird nach § 278 Abs. 2 AO insofern durchbrochen, als derjenige, dem von einem zusammenveranlagten Ehegatten unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewandt worden sind, bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung für den auf den anderen Gesamtschuldner-Ehegatten entfallenden Betrag in Anspruch genommen werden kann, wenn die Vermögensgegenstände in oder nach dem betreffenden Vz übertragen worden sind. Wechseln zusammenveranlagte Ehegatten nach Aufteilung der Gesamtschuld und Einleitung der Vollstreckung zur Einzelveranlagung, berührt dies den zu vollstreckenden (Steuer-)Anspruch grundsätzlich nicht.[4] Die Vollstreckungsmaßnahmen sind daher nicht aufzuheben. Nach Ergehen der Bescheide über die Einzelveranlagung ist indes die Vollstreckung nach dem AnfG fortzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Bescheid nach § 278 Abs. 2 S. 1 AO innerhalb der Anfechtungsfrist ergangen ist.[5]

Die Aufteilung hat nicht nur vollstreckungsrechtliche Bedeutung, sondern führt auch zu einer Aufrechnungsbeschränkung. Daher ist jeder der Gesamtschuldner-Ehegatten – unabhängig davon, ob die Zwangsvollstreckung...

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