Rz. 225

Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinne aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den Inhaber oder ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen nicht mitveräußert werden. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG führt zu einer Vorverlagerung der Besteuerung von Zinsen auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Zinsscheins und schließt eine nochmalige Besteuerung der Zinsen im Zeitpunkt ihres Zuflusses aus.

 

Rz. 226

Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG sind folgende Konstellationen zu unterscheiden[1]:

  • Veräußerung der Schuldverschreibung und des Zinsscheins: Veräußert der Inhaber einer Schuldverschreibung zwischen zwei Zinszahlungsterminen sowohl die Schuldverschreibung als auch den Zinsschein, liegt kein Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG vor. Vielmehr erzielt der Veräußerer einen Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Sofern der Erwerber den erhaltenen Zinsschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, hat er nur die Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG zu versteuern, die auf den Zeitraum entfallen, in dem er Inhaber der Schuldverschreibung war, nicht aber die Zinsen, die auf den Zeitraum entfallen, in dem die Schuldverschreibung dem Veräußerer zustand. Da sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer während des Zeitraums, in dem das Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen wurde, Inhaber der Schuldverschreibung waren und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG verwirklichten, ist eine besitzzeitanteilige Zurechnung der mithilfe der betreffenden Schuldverschreibung erzielten Zinsen vorzunehmen. Der Erwerber hat die ihm zuzurechnenden Zinsen als laufende Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG und der Veräußerer die ihm zuzurechnenden Zinsen im Rahmen des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern.
  • Veräußerung der Schuldverschreibung unter Zurückbehaltung des Zinsscheins: Veräußert der Inhaber der Schuldverschreibung zwischen zwei Zinszahlungsterminen nur die Schuldverschreibung und behält den Zinsschein zurück, handelt es sich ebenfalls nicht um einen Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG. Auch in diesem Fall erzielt der Veräußerer einen Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 S. 1 EStG. Sofern der Veräußerer den zurückbehaltenen Zinsschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, hat er die erzielten Zinsen in vollem Umfang, also sowohl die Zinsen, die auf den Zeitraum entfallen, in dem er Inhaber der Schuldverschreibung war, als auch die Zinsen, die auf den Zeitraum entfallen, in dem die Schuldverschreibung dem Erwerber zustand, nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 2 EStG zu versteuern. Zwar waren sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer während des Zeitraums, in dem das Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen wurde, Inhaber der Schuldverschreibung und haben damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG verwirklicht, sodass an sich eine besitzzeitanteilige Zurechnung der mithilfe der betreffenden Schuldverschreibung erzielten Zinsen vorzunehmen wäre. Jedoch bestimmt § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 2 EStG ausdrücklich, dass die Zinsen in vollem Umfang beim Veräußerer der Besteuerung zu unterwerfen sind.
  • Veräußerung des Zinsscheins unter Zurückbehaltung der Schuldverschreibung: Veräußert der Inhaber der Schuldverschreibung zwischen zwei Zinszahlungsterminen nur den Zinsschein und behält die Schuldverschreibung zurück, liegt ein Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG vor. Der Gewinn aus der Veräußerung des Zinsscheins, der bei wirtschaftlicher Betrachtung den Ertrag der Schuldverschreibung darstellt[2], unterliegt daher beim Veräußerer in vollem Umfang der Besteuerung nach dieser Vorschrift. Sofern der Erwerber den erhaltenen Zinsschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, kann er die erzielten Zinsen steuerfrei vereinnahmen, da er während des Zeitraums, in dem das Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen wurde, nicht Inhaber der Schuldverschreibung war und damit nicht den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG verwirklicht hat. Auch eine Besteuerung beim Veräußerer des Zinsscheins kommt nicht in Betracht. Zwar war er während des Zeitraums, in dem das Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen wurde, Inhaber der Schuldverschreibung und erfüllte damit an sich die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG. Jedoch bewirkt § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b S. 1 EStG eine Vorverlagerung der Besteuerung auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Zinsscheins und steht einer nochmaligen Besteuerung der Zinsen im Zeitpunkt ihres Zuflusses entgegen; damit stellt die Einlösung des abgetrennten Zinsscheins durch den Erwerber lediglich den (nicht steuerbaren) Einzug einer Forderung dar.
 

Rz. 227

Der Begriff "Zinsschein" ...

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