3.1.2.1 Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen (Buchst. a)

 

Rz. 219

Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen durch den Inhaber des Stammrechts, wenn die dazugehörigen Aktien oder sonstigen Anteile nicht mitveräußert werden. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG führt zu einer Vorverlagerung der Besteuerung von Dividenden auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Dividendenscheins und schließt eine nochmalige Besteuerung der Dividenden im Zeitpunkt ihres Zuflusses aus.

 

Rz. 220

Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG sind folgende Konstellationen zu unterscheiden[1]:

  • Veräußerung des Stammrechts und des Dividendenscheins: Veräußert der Inhaber des Stammrechts zwischen zwei Dividendenzahlungsterminen sowohl das Stammrecht als auch den Dividendenschein, liegt kein Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG vor. Vielmehr erzielt der Veräußerer in diesem Fall einen Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Sofern der Erwerber den erhaltenen Dividendenschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, hat er die Dividende in vollem Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zu versteuern, da er im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Mitgliedschaftsrecht Inhaber des Stammrechts ist und damit den Tatbestand dieser Vorschrift verwirklicht. Eine Besteuerung beim Veräußerer des Dividendenscheins kommt dagegen nicht in Betracht, da er bei Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses durch die Gesellschafterversammlung nicht mehr Inhaber des Stammrechts ist und damit die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG nicht erfüllt.
  • Veräußerung des Stammrechts unter Zurückbehaltung des Dividendenscheins: Veräußert der Inhaber des Stammrechts zwischen zwei Dividendenzahlungsterminen nur das Stammrecht und behält den Dividendenschein zurück, handelt es sich ebenfalls nicht um einen Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG. Vielmehr erzielt der Veräußerer auch hier einen Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Sofern der Veräußerer den zurückbehaltenen Dividendenschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, kann er die Dividende steuerfrei vereinnahmen, da er im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Mitgliedschaftsrecht nicht mehr Inhaber des Stammrechts ist und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG nicht verwirklicht. Stattdessen hat der Erwerber die Dividende in vollem Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zu versteuern, da er aufgrund der Veräußerung nunmehr Inhaber des Stammrechts ist und daher bei Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses durch die Gesellschafterversammlung die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach dieser Vorschrift erfüllt.
  • Veräußerung des Dividendenscheins unter Zurückbehaltung des Stammrechts: Veräußert der Inhaber des Stammrechts zwischen zwei Dividendenzahlungsterminen nur den Dividendenschein und behält das Stammrecht zurück, liegt ein Fall des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG vor. Der Gewinn aus der Veräußerung des Dividendenscheins, der bei wirtschaftlicher Betrachtung den Ertrag des Stammrechts darstellt[2], unterliegt daher beim Veräußerer in vollem Umfang der Besteuerung nach dieser Vorschrift. Sofern der Erwerber den erhaltenen Dividendenschein zu einem späteren Zeitpunkt einlöst, kann er die erzielte Dividende steuerfrei vereinnahmen, da er im Zeitpunkt der Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Mitgliedschaftsrecht nicht Inhaber des Stammrechts ist und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG nicht verwirklicht. Auch eine Besteuerung beim Veräußerer des Dividendenscheins kommt nicht in Betracht. Zwar ist er bei Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses durch die Gesellschafterversammlung Inhaber des Stammrechts und erfüllt damit die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Jedoch bewirkt § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG eine Vorverlagerung der Besteuerung auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Dividendenscheins und steht einer nochmaligen Besteuerung der Dividende im Zeitpunkt ihres Zuflusses entgegen; damit stellt die Einlösung des abgetrennten Dividendenscheins durch den Erwerber lediglich den (nicht steuerbaren) Einzug einer Forderung dar.
 

Rz. 221

Der Begriff "Dividendenschein" i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG ist weit zu verstehen und umfasst sämtliche Wertpapiere, die den Anspruch eines Gesellschafters auf eine Gewinnbeteiligung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG verbriefen.[3] Einschränkend ist lediglich zu berücksichtigen, dass § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 EStG ausschließlich künftig entstehende Dividendenansprüche erfasst. Ist der Dividendenanspruch bereits entstanden, richtet sich die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.[4] Ohne Bedeutung ist, ob es sich bei dem Dividendenschein um ein echt...

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