Rz. 90

Eigenverantwortlich ist die Tätigkeit dann, wenn der Berufsträger auf der Grundlage eigener Fachkenntnisse in ausreichendem Maß an der praktischen Arbeit teilnimmt und nach außen hin die Verantwortung für die vereinbarungsgemäße Ausführung der Aufträge übernimmt. Er muss diejenige Arbeit leisten bzw. mitleisten, die den Kern des Tätigkeitsbereichs bildet, die diesen Bereich trägt oder charakterisiert.[1] Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nicht global, sondern anhand der einzelnen Dienst- oder Werkleistungen zu prüfen. Die Rspr. nimmt hier teilweise akribische Berechnungen der pro Auftrag/Untersuchung dem Berufsträger verbleibenden Arbeitszeit vor.[2] Die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag muss auf Ausnahmen beschränkt bleiben. Da die Tatbestandsmerkmale "leitend" und "eigenverantwortlich" schon nach dem Wortlaut der Vorschrift selbstständig nebeneinander stehen, kann auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht ersetzen.[3] Die Eigenverantwortlichkeit des Berufsträgers kann auch dann zu verneinen sein, wenn er sich darauf beschränkt, besonders schwierige oder wichtige Aufträge selbst zu bearbeiten und die einfachen oder weniger bedeutsamen vollständig seinen Mitarbeitern überlässt. Unschädlich ist jedoch eine an der Schwierigkeit oder Gewichtigkeit des einzelnen Auftrags orientierte abgestufte Mitwirkung des Berufsträgers. So kann ein Laborarzt auch dann eigenverantwortlich tätig sein, wenn er für einfache Befunde jeweils nur zehn Sekunden benötigt. Es kommt nicht auf die absolut aufgewendete Zeit, sondern auf die für den jeweiligen Auftrag angemessene und erforderliche Zeit an.[4] Die persönliche Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Berufsträgers können im Einzelfall von Bedeutung sein und die Grenzen freiberuflicher Betätigung aufzeigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis der eigenen Fachkenntnisse. Diese müssen sich prinzipiell auf den gesamten Bereich der Berufstätigkeit erstrecken.[5]

Möglich ist aber auch hier eine Aufteilung der Einkünfte, sofern ein selbstständig Tätiger einzelne Projekte und Aufträge eigenverantwortlich und leitend betreut. Die von dem Unternehmensinhaber selbst betreuten Aufträge können dann der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sein, während die von dem Angestellten bearbeiteten Aufträge und Projekte zu gewerblichen Einkünften führen.[6]

 

Rz. 91

Schließen sich mehrere Berufsträger zur gemeinsamen Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit zu einer Personengesellschaft zusammen, so ist es nicht erforderlich, dass jeder von ihnen für den gesamten Tätigkeitsbereich der Gesellschaft leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Haben sich die Gesellschafter den Tätigkeitsbereich untereinander aufgeteilt, so genügt es, wenn jeder Berufsträger in seinem Arbeitsbereich leitend und eigenverantwortlich tätig ist.[7] Erforderlich ist jedoch, dass jeder Gesellschafter auch tatsächlich i. d. S. tätig wird. Sofern ein Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann auch die Tätigkeit der übrigen Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft nicht mehr als freiberuflich angesehen werden; die gesamte Tätigkeit der Gesellschaft ist in diesem Fall (sofern die Bagatellgrenze nicht überschritten ist; Rz. 20) als gewerblich einzustufen.[8] Wer zivilrechtlich als Gesellschafter anzusehen ist, ist nicht unbedingt auch Mitunternehmer. Steuerrechtlich sind Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative erforderlich.[9]. Wenn ein Mitunternehmerrisiko z. B. mangels Beteiligung am Gewinn und Verlust und den stillen Reserven des Anlagevermögens fehlt (sogen. "Nullbeteiligung"), muss dies durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden.[10] In einer freiberuflich tätigen KG müssen auch die Kommanditisten selbst eine freiberufliche Tätigkeit ausüben. Ist dies nicht der Fall, weil sie nur kapitalistisch beteiligt sind oder Tätigkeiten ausüben, die nicht zu den freiberuflichen gehören, ist die Betätigung der KG gewerblich. Das gilt auch bei Beteiligung einer Kapitalgesellschaft (Komplementär-GmbH) unabhängig von ihrer eigentlichen Tätigkeit, da sie stets gewerbliche Einkünfte erzielt (§ 8 Abs. 2 KStG).[11] Die Beteiligung einer berufsfremden Person ist ausnahmsweise nur dann unschädlich, wenn sie infolge eines Erbfalls eingetreten ist und sich auf eine kurze Übergangszeit beschränkt.[12]

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