Rz. 287

Führt die Veräußerung zu einem Verlust (d. h. einem Übersteigen der Anschaffungskosten über den um die Veräußerungskosten geminderten Veräußerungspreis), ist dieser Verlust als Verlust aus Gewerbebetrieb nach den allgemeinen steuerlichen Vorschriften im Rahmen von Verlustausgleich und Verlustabzug zu berücksichtigen.

 

Rz. 288

Der Ansatz von Veräußerungsverlusten ist in besonderem Maß steuerlichen Gestaltungen ausgesetzt gewesen, die der Gesetzgeber als missbräuchlich empfunden hatte. Dies betrifft insbesondere Gestaltungen, durch die im Vorfeld einer Liquidation oder Veräußerung, bei der Verluste erwartet werden, eine ursprünglich unter der Grenze des § 17 EStG liegende Beteiligung durch Hinzuerwerb von Anteilen zu einer Beteiligung nach § 17 EStG gemacht werden, um die Veräußerungsverluste ansetzen zu können. Diese Gestaltungen sind durch den Begriff der "Anteilsrotation" bekannt geworden.[1] Danach werden im Vorfeld einer Veräußerung oder Liquidation folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Der nicht wesentlich beteiligte Anteilseigner (Anteile im Privatvermögen) erwirbt so viele Anteile von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner (Anteile ebenfalls Privatvermögen), dass bei beiden (noch) eine wesentliche Beteiligung besteht.
  • Außerhalb der Spekulationsfrist veräußern beide (jetzt wesentlich) Beteiligte ihre Anteile entweder an einen Dritten oder an einen weiteren Beteiligten, der die Anteile im Betriebsvermögen hält. Für diese Transaktion greift § 17 EStG ein, um etwaige Veräußerungsverluste zu realisieren.
  • Der Anteilseigner, der die Anteile im Betriebsvermögen hält, erwirbt auf diese Weise sämtliche Anteile und veräußert diese dann an einen Dritten; er kann auf diese Weise die Vergünstigungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend machen.
  • Der Dritte führt die Liquidation durch. Bei entsprechender Gestaltung der Kaufpreise entsprechen bei ihm die Liquidationsauskehrungen den Anschaffungskosten, sodass bei ihm keine steuerlichen Auswirkungen eintreten.

[2]

Die Anteilsrotation ist durch verschiedene gesetzliche Maßnahmen unnötig bzw. wirkungslos gemacht worden. Zu nennen sind:

  • Einschränkung des Geltendmachens der Verluste durch § 17 Abs. 2 S. 6 Buchst. b) EStG (Rz. 304); die Anteilsrotation kann dadurch nicht mehr zur steuerlichen Verlustrealisierung führen;
  • Herabsetzung der Grenze nach § 17 Abs. 1 EStG auf 10 % bzw. 1 %; dadurch erübrigt sich eine Anteilsrotation in einer Vielzahl von Fällen.

Durch diese Gesetzesänderungen treten durch eine Anteilsrotation keine Gestaltungseffekte mehr ein.

 

Rz. 288a

Die verlustbringende Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG an einen Mitgesellschafter ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO, weil der Veräußerer in engem zeitlichen Zusammenhang von einem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschaft erwirbt (sog. Anteilsrotation).[3] Veräußert und erwirbt ein Stpfl. an einer Börse jedoch mit taggleicher Ausführung Bezugsrechte und kann er aufgrund der Umstände, seiner persönlichen Kenntnisse und seines Einflusses auf die Durchführung des Handels als Börsenmakler davon ausgehen, dieselbe Zahl von Bezugsrechten zum Verkaufspreis sicher wieder erwerben zu können, ohne die Kauforder eines Dritten fürchten zu müssen, kann in der Durchführung des Geschäfts ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegen.[4]

 

Rz. 289

Das Gesetz macht die Berücksichtigung der Veräußerungsverluste nur von den Einschränkungen nach § 17 Abs. 2 S. 6 EStG abhängig. Davon abgesehen liegt es in der Entscheidung des Stpfl., ob er die Verluste durch Veräußerung realisieren will oder nicht. Der Anteilseigner hat das Recht, einen Wertverlust der Anteile zu einem ihm genehmen Zeitpunkt durch Veräußerung der Anteile oder durch Liquidation der Gesellschaft zu realisieren. Es liegt grundsätzlich auch in seiner Wahl, welche Methode zur Realisierung der Verluste er wählt. Wählt er eine Methode der Realisierung (Veräußerung statt Liquidation) und einen Zeitpunkt, der zu steuerlichen Vorteilen führt (Veräußerung vor Inkrafttreten des Halb-/Teileinkünfteverfahrens), liegt darin kein Missbrauch. Somit ist auch eine Veräußerung der Anteile, die nur zum Zweck der Realisierung der Verluste erfolgt, steuerlich grundsätzlich anzuerkennen. Das gilt nur dann nicht, wenn die Veräußerung nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums führt oder wenn Rechtsmissbrauch vorliegt. Die Veräußerung allein zum Zweck der Realisierung der Verluste ist jedoch kein Rechtsmissbrauch. Ebenso kann nicht allein aus dem Umstand, dass die Veräußerung an eine nahe stehende Person erfolgt, auf Rechtsmissbrauch geschlossen werden.[5]  Entsprechend liegt auch ein Rechtsmissbrauch nach § 42 AO nicht allein deshalb vor, weil die Verlustrealisierung durch Veräußerung der Anteile an eine beteiligungsidentische Kapitalgesellschaft erfolgt.[6]  In diesen Fällen ändert sich rechtlich und wirtschaftlich die Eigentümerstellung an den Anteilen mit e...

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