5.1 Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Vorschrift

 

Rz. 503

Nach § 15 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder im Rahmen eines Verlustrück- oder -vortrags nach § 10d EStG von solchen Einkünften abgezogen werden. Ein Ausgleich oder Abzug ist nur mit Einkünften aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung (aus einem anderen Betrieb oder aus einem anderen Jahr) statthaft.[1]

Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG wurde durch das 2. StÄndG 1971 v. 10.8.1971[2] zunächst als § 2a EStG in das Gesetz eingefügt und später als Abs. 2 dem § 15 EStG angefügt.[3] Aufgrund des StEntlG 1984[4] wurde dieser Abs. 2 zum Abs. 3, aufgrund des Steuerbereinigungsgesetzes v. 19.12.1985[5] zum Abs. 4 des § 15 EStG. Durch Art. 2 Nr. 11 Buchst. a AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[6] wurde § 15 Abs. 4 S. 2 EStG um einen zweiten Halbsatz ergänzt, wonach auch für Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung eine bindende Verlustfeststellung i. S. v. § 10d Abs. 4 EStG erforderlich ist.

Die Vorschrift wurde zum Schutz der Landwirtschaft erlassen. Sie soll die Landwirtschaft vor den Folgen unterschiedlicher, d. h. der für Gewerbebetriebe mit ausgleichbaren Buchverlusten günstigeren Wettbewerbsbedingungen, insbesondere vor sog. Abschreibungsgesellschaften schützen. Trotz ihrer starken Auswirkung auf die Wettbewerbsverhältnisse ist die Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[7] § 15 Abs. 4 EStG kann deshalb auch Vorrang vor einer organschaftlich eigenständigen Einkommenszurechnung zukommen.[8]

[1] BT-Drs. 17/11220, 27; R 15.10 EStR 2012.
[2] BGBl I 1971, 1266.
[3] ESt-Reformgesetz v. 5.8.1974, BGBl I 1974, 1769.
[4] BGBl I 1984, 1583.
[5] BGBl I 1985, 2436.
[6] BGBl I 2013, 1809, 1816.

5.2 Persönlicher Geltungsbereich

 

Rz. 504

Die Vorschrift gilt für alle unbeschränkt und beschr. Stpfl., die Tierzucht oder Tierhaltung gewerblich betreiben. Darunter fallen alle natürlichen Personen, deren Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ob sie sie einzeln oder in einer Personengesellschaft zusammengefasst erzielen, nach dem EStG stpfl. sind. Ebenso fallen darunter alle Stpfl., deren Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach dem KStG körperschaftsteuerpflichtig sind, also die in § 1 KStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gem. § 8 Abs. 2 KStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen.

5.3 Sachlicher Geltungsbereich

 

Rz. 505

Tierzucht ist die nachhaltige Auswahl von Elterntieren zur Fortpflanzung, deren Paarung und erneute Auswahl von Elterntieren aus den so entstandenen Nachkommen zur weiteren Fortpflanzung. Zweck ist die Steigerung der tierischen Leistung einschließlich der Fleischerzeugung auf ein gestecktes Zuchtziel hin durch Zusammenführen wirtschaftlich wertvoller und Ausmerzen wirtschaftlich nachteiliger Erbfaktoren. Unter Tierzucht wird allgemein aber ebenso die Haltung von Tieren lediglich zur Erzeugung von Nachkommenschaft und deren Aufzucht verstanden, um diese als Zucht-, Nutz- oder Schlachttiere zu veräußern oder im eigenen Betrieb zu verwenden. Tierhaltung ist die Haltung von Tieren zu deren Nutzung. Diese Nutzung geschieht durch die Verwertung der Arbeit der Tiere (z. B. als Zugtiere) oder durch die Verwertung ihres körperlichen Vorhandenseins (z. B. bei Tierschauen oder im Zoo) oder ihrer körperlichen oder Verhaltens-Reaktionen (z. B. als Versuchstiere). Im überwiegenden Umfang geschieht die Nutzung der Tiere einer Tierhaltung aber durch die Erzeugung von Schlachtvieh oder von tierischen Erzeugnissen wie Milch, Wolle, Eier, Sperma usw.

 

Rz. 506

Voraussetzung für das Verbot des Verlustabzugs und Verlustausgleichs ist, dass eine solche Tierzucht oder Tierhaltung gewerblich betrieben wird.[1]

Gewerblich i. S. v. § 15 Abs. 4 S. 1 EStG ist grundsätzlich jede Tierzucht oder Tierhaltung, der keine nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ausreichende landwirtschaftlich genutzte Fläche als Futtergrundlage entsprechend § 13 Abs. 1 EStG i. V. m. §§ 51 und 51a BewG zur Verfügung steht. Der Tierbestand ist mit anderen Worten überhöht. Dabei kommt es allein auf die Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale an. Welche Beweggründe für die Einrichtung oder Aufrechterhaltung einer mangels ausreichender landwirtschaftlicher Fläche gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung maßgebend waren (z. B. die Erprobung und Einführung von Stallanlagen oder von neuen Futtermitteln), ist für die Anwendung des § 15 Abs. 4 EStG ohne Bedeutung.[2] Dementsprechend liegt im Fall der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse (z. B. von Eiern) ohne ausreichende landwirtschaftlich genutzte Fläche als Futtergrundlage eine gewerbliche Tierhaltung nicht nur bei dem Eigentümer der Tiere, sondern auch bei demjenigen vor, der bei qualifizierter Arbeitsteilung für die Erzeugung wesentliche T...

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