Rz. 304

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG gilt eine OHG, KG oder "andere" Personengesellschaft als vollen Umfangs gewerblich tätig, wenn sie auch nur in einem Teilbereich eine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (einschl. der dort genannten gewerblichen Bodenbewirtschaftung) ausübt. Dies gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG unabhängig davon, ob aus der originär gewerblichen Tätigkeit einen Verlust oder Gewinn erzielt.

Als "andere" Personengesellschaft neben der OHG und KG sind insb. die allgemein von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfassten Personengesellschaften aufzufassen, folglich auch die Innengesellschaften,[1] die GbR[2] oder die Erbengemeinschaft.[3] Anders als für § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist allerdings keine Mitunternehmerschaft erforderlich, denn Sinn und Zweck der Norm ist gerade nicht die Qualifikation der Einkünfte des Mitunternehmers als gewerblich, sondern – eine Stufe vorher – die Festlegung des Umfangs der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft. Erst danach ist zu prüfen, ob der jeweilige Gesellschafter als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.[4]

 

Rz. 305

Voraussetzung ist die Ausübung "auch" einer gewerblichen Tätigkeit. Dabei kann es sich entweder um eine originär gewerbliche Tätigkeit durch die Gesellschaft selbst (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 EStG: sog. "Seitwärtsinfektion") oder aber um die Zurechnung gewerblicher Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zur Gesellschaft als Mitunternehmerin (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG: "Aufwärtsinfektion") handeln. Nach neuer Rspr. unerheblich ist, ob die Personengesellschaft neben der geringen gewerblichen Tätigkeit überwiegend freiberuflich oder überwiegend vermögensverwaltend tätig ist.[5] Nicht anwendbar ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aber u. a., wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten der Anteile an einer anderen Gesellschaft besteht und die Personengesellschaft daneben über kein eigenes Vermögen verfügt.[6]

Zu betrachten sind grundsätzlich nur solche Tätigkeiten, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden.[7] Eine nur geringfügige gewerbliche Tätigkeit genügt; allerdings greift nach der Rspr. bei einem "äußerst geringen Anteil" der schädlichen gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein. Nachdem diese "Bagatellgrenze" früher uneinheitlich war,[8] haben sich Finanzverwaltung und Rspr. nunmehr auf eine einheitliche Grenze von 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse und 24.500 EUR festgelegt. Liegen die gewerblichen Einkünfte der Gesellschaft hierunter, so findet eine Abfärbung auf die übrigen Einkünfte nicht statt.[9] Durch diese Billigkeitsregelung sind m. E. zutreffend und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit solche Fälle ausgeschlossen, in denen die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft von gänzlich untergeordneter Bedeutung ist. In solchen Fällen lässt sich die vollumfängliche Unterwerfung der Einkünfte unter die GewSt sachlich nicht rechtfertigen.[10]

Die vorstehenden Bagatellgrenzen gelten auch nach der Verschärfung der Regelung durch das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität v. 17.12.2019[11] dem Grunde und der Höhe nach unverändert.[12] Zu beachten ist aber, dass die Geringfügigkeitsgrenze nach wie vor lediglich den Fall der "Seitwärtsinfektion" (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 EStG), nicht aber im Fall der "Aufwärtsinfektion" (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG) erfasst.[13] Dies folgt auch und insb. daraus, dass auf Ebene einer Unter-Personengesellschaft – die der Ober-Personengesellschaft die Einkünfte nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG vermittelt – möglicherweise ebenfalls eine solche Bagatellgrenze zu prüfen ist und eine doppelte Erfassung nicht systemgerecht wäre. Überdies ist die Bagatellgrenze nicht im Bereich der erweiterten Grundbesitzkürzung (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) zu beachten.[14]

 

Rz. 306

Die "Seitwärtsinfektion" (z. B. bei gleichzeitiger vermögensverwaltender und gewerblicher Tätigkeit der Personengesellschaf) führt unstreitig zur GewSt-Pflicht des Gesamtgewinns, soweit die o. g. Bagatellgrenzen überschritten sind. Anderes gilt allerdings in den Fällen der "Aufwärtsinfektion": Insoweit soll nach Auffassung des BFH keine GewSt anfallen.[15] Dies ist begrüßenswert, denn der der Ober-Personengesellschaft nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zugerechnete Gewinnanteil hat bereits bei der Untergesellschaft der GewSt unterlegen und wird daher nach § 9 Nr. 2 GewStG ohnehin aus dem Gewerbeertrag heraus gekürzt. In der Tat besteht in diesen Fällen daher kein Risiko der GewSt-Verkürzung, wie der BFH zutreffend ausführt. Für die schlichte Einbeziehung der übrigen (infizierten) Einkünfte in die GewSt besteht keinerlei Rechtfertigung.

 

Rz. 306a

Die Abfärbewirkung kann auch durch (gewerbliche) Sonderbetriebseinnahmen entstehen. Dies ist bei mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen möglich, wenn z. B. ein der Enkel-Personengesellschaft dienendes Wirtschaftsgut (etwa ein ihr zur Nutzung überlassenes Grundstück, Darlehen u...

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