LfSt Bayern, 6.10.2017, S 0353.1.1 - 2/3 St 42

 

1. Allgemeines

Grundlagenbescheide i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte. Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein.

Folgebescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an die Grundlagenbescheide anzupassen, denn diese sind im Umfang der in ihnen getroffenen Feststellungen für Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO).

Wirksame Grundlagenbescheide sind im Umfang der in ihnen getroffenen – positiven wie negativen Feststellungen – für die Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO). Wirksam ist der Grundlagenbescheid, wenn er ordnungsgemäß adressiert und bekannt gegeben wurde und wenn er nicht nichtig ist (BFH-Urteil vom 16.3.1993, XI R 42/90, BFH/NV 1994 S. 75). Ob dies der Fall ist, kann im Folgebescheidverfahren überprüft werden (BFH-Urteil vom 6.12.1995, I R 131/94, BFH/NV 1996 S. 592). Das Folge-Finanzamt ist dazu jedoch nur bei akuten Zweifeln hinsichtlich der Wirksamkeit verpflichtet. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Grundlagenbescheid unanfechtbar ist (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Er ist auch dann bindend, wenn er unrichtig und damit rechtswidrig ist (u. a. BFH-Urteil vom 20.12.2000, I R 50/00, BStBl 2001 II S. 381, m.w.N.).

Die Bindungswirkung hat zur Folge, dass nicht durch den Folgebescheid geregelt werden darf, was durch Grundlagenbescheid geregelt ist und umkehrt. Es ist deshalb erforderlich, Folgebescheide in dem vom Gesetz gezogenen Rahmen an die Grundlagenbescheide anzupassen. Die Anpassung steht nicht im Ermessen des Folge-Finanzamts. Soweit die Bindung reicht, ist der Folgebescheid ohne neue sachliche Prüfung an die Feststellungen im Grundlagenbescheid anzupassen.

 

2. Hemmung der Verjährung und Auswertung der Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen(§ 171 Abs. 10 AO)

 

2.1. Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO

Durch § 171 Abs. 10 Satz 1 AO wird die Änderungsbefugnis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO über die normale Festsetzungsfrist (§§ 169, 170 AO) hinaus erweitert. Danach endet die Festsetzungsfrist beim Folgebescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, soweit dieser für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist. Die Zwei-Jahres-Frist wird bei jeder Änderung des Grundlagenbescheids erneut in Gang gesetzt.

Die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 AO beginnt mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, nicht mit dem Zugang der verwaltungsinternen Mitteilungen, mit denen die für den Erlass der Folgebescheide zuständigen Finanzämter über die getroffenen Feststellungen unterrichtet werden.

Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung eines Grundlagenbescheids (auch ohne dessen sachliche Änderung) steht dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids gleich (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO) und setzt daher die Zwei-Jahresfrist in Lauf (vgl. BFH-Beschluss vom 11.4.1995, III B 74/92, BFH/NV 1995 S. 943).

Auch die Änderung eines Grundlagenbescheids durch Einspruchsentscheidung oder Gerichtsentscheidung setzt die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO in Lauf. Wird allerdings durch eine Einspruchs- oder Gerichtsentscheidung der Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, beginnt keine neue Zwei-Jahresfrist (vgl. BFH vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).

Gleiches gilt bei Ergehen eines geänderten Grundlagenbescheids, der mehrere gesonderte Feststellungen umfasst. Jede einzelne festgestellte Besteuerungsgrundlage hat hierbei einen eigenständigen Regelungsgehalt. Der Feststellungsbescheid ist eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen. Dementsprechend wird die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO in den Fällen von geänderten Grundlagenbescheiden lediglich bezüglich der geänderten Feststellungen erneut ausgelöst (BFH-Urteil vom 6.7.2005, BFH/NV 2006 S. 227).

Beispiel:

Mit Feststellungsbescheid vom 20.10.05 wurde für den Veranlagungszeitraum 01 dem Steuerpflichtigen ein Anteil am laufenden Gewinn der Y-KG in Höhe von 25.000 EUR und ein Veräußerungsgewinn von 90.000 EUR zugewiesen. Im ESt-Bescheid des Steuerpflichtigen vom 11.12.05 setzte das Wohnsitzfinanzamt zwar den ihm mitgeteilten Anteil am laufenden Gewinn, nicht aber den Veräußerungsgewinn als Besteuerungsgrundlage an. Mit geänderten Feststellungsbescheid vom 15.11.07 wurde nunmehr ein Anteil des Steuerpflichtigen am laufenden Gewinn der Y-KG in Höhe von 32.000 EUR und ein unveränderter Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 EUR festgestellt.

Lösung:

Der festgestellte Anteil am laufenden Gewinn und der festgestellte Veräußerungsgewinn stellen jeweils eigenständige Feststellungen dar, die lediglich in einem Feststellungsbescheid zusammengefasst sind. Die Bekanntgabe des geänderten Feststellungsbescheids vom 15.11.07 löst eine erneute Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO lediglich bezüglich des festgestellten Anteils am laufenden Gewinn der Y-KG ...

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