Leitsatz

1. Im Fall der Verschmelzung von zwei Kapitalgesellschaften tritt der übernehmende Rechtsträger (Organträger) hinsichtlich des Merkmals der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) auch dann nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird. Dies gilt auch für das Merkmal der Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG (Bestätigung und Fortentwicklung der Senatsurteile vom 28.07.2010 – I R 89/09, BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67, sog. Fußstapfentheorie).

2. Erlischt der Gewinnabführungsvertrag vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG) durch sogenannte Konfusion (hier: Verschmelzung der Organgesellschaft mit dem Organträger), ist dies ein "wichtiger Grund", so dass die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit die steuerrechtliche Anerkennung nicht hindert.

3. Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG sind das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und "damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen". Dies umfasst auch die Höhe der Minderabführungen aus organschaftlicher Zeit (§ 14 Abs. 4 KStG) sowie – zumindest "incidenter" – die Statusfrage (Bestehen/Nichtbestehen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft).

4. Der Gewerbesteuermessbescheid ist im Verhältnis zum Feststellungsbescheid des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG kein Folgebescheid.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Satz 4 und Nr. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 4, Abs. 5 KStG, § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006, § 35b GewStG, § 179 Abs. 1 AO, § 40 Abs. 1 und 2, § 42 FGO

 

Sachverhalt

Die A‐GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entsprach, gründete am …8.2014 unter anderem die B‐GmbH, deren Wirtschaftsjahr vom 1.9. bis 31.8. lief. Am …2.2015 schloss die A‐GmbH mit der B‐GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV), der am …3.2015 in das Handelsregister eingetragen wurde und rückwirkend ab dem Beginn des Geschäftsjahres der B‐GmbH galt. Gegenstand des Unternehmens der B‐GmbH war die Vercharterung eines Seeschiffes.

Am …5.2015 wurde die A‐GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war nach dem Verschmelzungsvertrag der 1.1.2015. Mit dem Verschmelzungsvertrag vom …6.2017 wurde auch die B‐GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war hier der 1.9.2017.

Die B‐GmbH ging in ihren Steuererklärungen für das Streitjahr von einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin aus. Dementsprechend erklärte sie für die KSt ein zu versteuerndes Einkommen von 0 EUR.

Das FA erkannte die Organschaft für das Streitjahr nicht an und erließ gegenüber der B‐GmbH entsprechende Bescheide. Der wegen der Nichtanerkennung der Organschaft eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Die von der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der B‐GmbH eingereichte Klage, die sich mit Zustimmung des FA im Wege der Sprungklage auch gegen den während des Klageverfahrens vom FA erlassenen Bescheid über die Feststellung des Nichtbestehens einer Organschaft zwischen der Klägerin und der B‐GmbH für den Zeitraum 1.9.2014 bis 31.8.2015 richtete und von der Klägerin insoweit sowohl als Organträgerin als auch als Rechtsnachfolgerin der Organgesellschaft (B‐GmbH) eingelegt wurde, hatte dagegen teilweise Erfolg. Das FG ging von dem Bestehen einer Organschaft aus (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 4.9.2020, 6 K 150/18, Haufe-Index 14205802).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war nur in einem Nebenpunkt erfolgreich und führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Im Hauptpunkt (Anforderungen an die Organschaftsanerkennung bei unterjähriger Verschmelzung) bestätigte der BFH die Entscheidung des FG.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zu dem im vorherigen Beitrag besprochenen "Pilot-Urteil" des BFH zum Aktenzeichen I R 21/20. Es kann daher weitgehend auf die dortigen Erläuterungen Bezug genommen werden.

2. Die Besprechungsentscheidung zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus, auf die es einzugehen gilt:

a) Im Unterschied zum "Pilot-Urteil" geht es vorliegend um die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften. Aber auch hier kommt nach dem UmwStG die sog. Fußstapfentheorie zum Tragen. Diese allein bewirkt, dass dem "neuen" Organträger die zum Jahresanfang vom "alten" Organträger gehaltene Beteiligung an der Organgesellschaft zuzurechnen ist.

b) Organgesellschaft und der Organträger wurden während der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit des Ergebnisabführungsvertrages (EAV) miteinander verschmolzen. Dies führte im Hinblick auf den EAV zu einer Konfusion. Der BFH stellt klar, dass dieser Umstand nicht organschaftsschädlich ist, sondern einen wichtigen Gru...

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