Leitsatz

1. Stellt bei einem qualifizierten Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 der übernehmende Rechtsträger (Organträger) den Antrag, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen, tritt er hinsichtlich des Merkmals der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein; dass der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag im Fall des Anteilstauschs nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen werden kann, ist hierfür unerheblich (Bestätigung und Fortentwicklung der Senatsurteile vom 28.07.2010 – I R 89/09, BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67, sog. Fußstapfentheorie).

2. Die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in die finanzielle Eingliederung setzt nicht voraus, dass beim übertragenden Rechtsträger sämtliche Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt waren.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 3, § 23 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine im Jahr 2008 gegründete GmbH, war zunächst zu jeweils 30 % an der D‐KG als Kommanditistin und an deren Komplementär-GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Alleingesellschafter der Klägerin war C, der auch die übrigen 70 % an der D‐KG und deren Komplementär-GmbH als Kommanditist beziehungsweise Gesellschafter hielt.

Mit Vertrag vom …1.2010 brachte C seine Kommanditbeteiligung an der D‐KG und seine Anteile an der Komplementär-GmbH rückwirkend zum 1.1.2010 (00:00 Uhr) zu Buchwerten in die Klägerin ein. Ebenfalls am …1.2010 gründete er als Alleingesellschafter die B‐GmbH und erbrachte die Stammeinlage durch Einbringung seiner Beteiligung an der Klägerin mit wirtschaftlicher Wirkung zum 15.1.2010. Darüber hinaus schloss die B‐GmbH am …1.2010 mit der Klägerin einen "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" (EAV), der am …2.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Verpflichtung zur Gewinnabführung galt erstmals für den gesamten Gewinn des Geschäftsjahres, in dem der EAV wirksam wurde. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin entsprach im Streitjahr dem Kalenderjahr.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erkannte das FA die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft für das Streitjahr nicht an und erließ nach § 164 Abs. 2 AO einen entsprechend geänderten KSt-Bescheid. Da die B‐GmbH erst im Streitjahr gegründet worden sei und das Gesetz für den Fall des Anteilstauschs keine Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung regele, fehle zum Beginn des Streitjahres der Organgesellschaft (Klägerin) die finanzielle Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG). In der Folge qualifizierte das FA die Gewinnabführung der Klägerin von … EUR als Gewinnausschüttung an die B‐GmbH und setzte die KSt auf … EUR fest. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 29.9.2020, 6 K 2704/17 K, Haufe-Index 14223733).

 

Entscheidung

Die Revision des FA blieb erfolglos.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zu dem in diesem Heft besprochenen "Pilot-Urteil" des BFH zum Aktenzeichen I R 21/20. Es kann daher weitgehend auf die dortigen Erläuterungen Bezug genommen werden.

2. Die Besprechungsentscheidung zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus, auf die es einzugehen gilt:

a) Während es im "Pilot-Verfahren" I R 21/20 um die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft ging, lag der Besprechungsentscheidung ein qualifizierter Anteilstausch zugrunde. Das führte aber nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung der Frage, ob die Organschaft anzuerkennen ist. Denn auch beim qualifizierten Anteilstausch greift die sog. Fußstapfentheorie, also eine umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in das Merkmal der finanziellen Eingliederung.

b) Dass § 21 UmwStG für den Fall eines reinen Anteilstauschs nicht auf die Regelungen zur umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG verweise, ist unerheblich. Denn auf die umwandungssteuerliche Rückwirkung hinsichtlich des steuerlichen Übertragungsstichtages kommt es generell nicht an. Maßgeblich ist allein die Fußstapfentheorie.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.7.2023 – I R 40/20

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