Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung einer Berichtigung infolge der Wahl der Nichterfüllung von Verträgen durch den Insolvenzverwalter zum Zeitraum vor oder nach Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wählt der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 2 InsO die Nichterfüllung von Verträgen, für die der Insolvenzschuldner Anzahlungen erhalten und versteuert hatte, so ist der aus der Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG resultierende Erstattungsanspruch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden; eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen ist daher nicht zulässig.

 

Normenkette

UStG § 17 Abs. 2 Nr. 3; InsO § 103 Abs. 2, § 95 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.2012; Aktenzeichen VII R 56/09)

BFH (Urteil vom 25.07.2012; Aktenzeichen VII R 56/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob im Falle erhaltener und versteuerter Anzahlungen eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG aufgrund der Wahl des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 2 InsO, die Verträge nicht zu erfüllen, auf den Zeitpunkt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirkt, mit der Folge, dass im ersten Fall eine Aufrechnung des Finanzamts mit Insolvenzforderungen vorgenommen werden kann oder - im zweiten Fall - die Umsatzsteuer an die Insolvenzmasse zu erstatten ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Kaiserslautern GmbH - EWK -. Mit Beschluss vom 15.11.2001 des Amtsgerichts K wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 03.12.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die EWK wurden bisher unter der Steuernummer .../673/0066/7 geführt. Für die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erklärenden Umsätze wurde die Steuernummer .../673/9001/6 vergeben.

In der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die EWK folgende Anzahlungen erhalten, die sie der Umsatzsteuer unterworfen hatte:

April 2000 E

3.524.438,96 DM

./. verrechnete Teilleistungen 12/00 - 11/01

- 2.942.573,93 DM

Verbleibende Anzahlung

581.865,03 DM

Sept. 2000 E

2.948.989,56 DM

Juli 2001 B

374.345,86 DM

Okt. 2001 B

374.645,86 DM

Sept. 2001 S

928.000,00 DM

Anzahlungsbeträge brutto insgesamt

5.207.546,31 DM

Enthaltene Mehrwertsteuer

718.282,24 DM

(367.251,87 €)

Der Insolvenzverwalter wählte gemäß § 103 Abs. 2 InsO die Nichterfüllung der diesen Anzahlungen zugrunde liegenden Verträge. Diese wurden rückabgewickelt.

Am 29.01.2002 wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Dezember 2001 durchgeführt, deren Ergebnis im Bericht vom 29.04.2002 dargestellt ist. Die Rückabwicklung und Berichtigung gemäß § 17 UStG wurde dabei dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung zugeordnet.

Im Januar 2003 reichte der Kläger unter beiden Steuernummern die Umsatzsteuererklärungen für 2001 ein; diese beinhalteten nicht die Berichtigungen der Umsatzsteuer gemäß § 17 Abs. 2 UStG aufgrund der Nichterfüllung der Verträge. Das Finanzamt K stimmte den Umsatzsteuererklärungen zu.

Im Rahmen einer weiteren Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2002 und 2003 vertrat der Insolvenzverwalter nunmehr die Auffassung, dass die Umsatzsteuer auf die erhaltenen Anzahlungen im Zeitpunkt der Erklärung nach § 103 Abs. 2 InsO, dass die Nichterfüllung der Verträge gewählt werde, zu berichtigen sei. Er reichte am 01.03.2006 unter der Steuernummer ../673/9001/6 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2001 ein, in der er um 4.489.264 DM reduzierte Umsätze zu 16% erklärte (um denselben Betrag erhöhte Umsätze erklärte er unter der Steuernummer ../673/0066/7). Das Finanzamt K lehnte die Änderung mit Bescheid vom 20.04.2006 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wurde die unter dem Aktenzeichen 6 K 1969/96 anhängige Klage erhoben. Zur Zulässigkeit der Klage berief der Kläger sich auf das BFH-Urteil vom 16.07.1987 - V R 2/81.

Zur Begründung dieser Klage hatte der Kläger vorgetragen, das Finanzamt K habe seine Einspruchsentscheidung unzutreffender Weise damit begründet, dass der Rechtsgrund der Umsatzsteuerforderung bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt gewesen sei und deshalb der Erstattungsanspruch die angemeldete Insolvenzforderung reduziere. Das Finanzamt habe zutreffend festgestellt, dass die spätere Erklärung des Klägers, die Verträge nicht erfüllen zu wollen, nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerentstehung zurückwirke. Daraus folge, dass hinsichtlich der Berichtigung der Umsatzsteuer auf den Zeitpunkt der Erklärung des Insolvenzverwalters abzustellen sei; dieser liege zwangsläufig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Wahlrecht nach § 103 InsO stehe nur dem Insolvenzverwalter zu, nicht aber dem vorläufigen Insolvenzverwalter. Die Erklärung habe deshalb nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben werden können. Die Erklärung habe nicht nur deklaratorische Wirkung, sondern sei konstitutiv. Der Insolvenzverwalter müsse seine freie unternehme...

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