rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwehrmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen (hier: MCS-Vorerkrankung)

 

Leitsatz (redaktionell)

Nur dann, wenn die konkrete Gesundheitsgefährdung durch ein (ggfs. vor Durchführung der Maßnahmen) eingeholtes amtliches technisches Gutachten sowie ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, sind Aufwendungen für Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Da bislang keine gegenteiligen wissenschaftlich gesicherten aktuellen Erkenntnisse vorliegen, geht der Senat mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung von BGH und BVerfG davon aus, dass bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder, 26. BImSchV) eine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunkwellen nicht unterstellt werden kann.

Das gilt auch im Fall einer MCS-Vorerkrankung (Multiple Chemical Sensitivity - Multiple Chemische Übersensibilität).

Im Übrigen ist ein Abzug solcher Aufwendungen schon dann ausgeschlossen, wenn die getroffenen Maßnahmen des gewünschten Ergebnisses ungeeignet und damit nicht notwendig sind.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung von Aufwendungen für Abschirmmaßnahmen im Zusammenhang mit einer Mobilfunksendeanlage als außergewöhnliche Belastung.

Der Kläger ist als Archivar nichtselbständig tätig, die Klägerin ist Pensionär und bezieht Versorgungsbezüge.

In ihrer am 20.02.2003 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 machten die Kläger unter anderem folgende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung Steuer mindernd geltend:

Prozesskosten wegen Mobilfunkstrahlen

1.000,00 EUR

Abschirmmaßnahmen gegen Mobilfunksendeanlage (Einzelaufstellung siehe Anlage A)

38.424,24 EUR

sonstige Aufwendungen

11.526,20 EUR

Summe

50.950,44 EUR.

Die Kläger erläuterten zu den ersten beiden, hier allein streitbefangenen Positionen, sie hätten rechtliche Schritte zur Verhinderung von Mobilfunksendeanlagen in ihrem direkten Wohnfeld ergreifen müssen, dafür seien die geltend gemachten Prozesskosten angefallen. Weiterhin hätten sie Abschirmmaßnahmen an ihrem Haus treffen müssen, nachdem am 24.10.2002 in unmittelbarer Nähe ihres Wohnhauses (70 m Luftlinie) eine groß ausgelegte Mobilfunksendeanlage in Betrieb gegangen sei. Nachdem ein Teil der Familie diese neue Situation sofort gespürt und heftig darauf reagiert habe, sei dar Baubiologe und Umweltanalytiker M mit einer Messung beauftragt worden, die am 27.10.2002 durchgeführt worden sei. In der darauf folgenden Woche seien alle Familienmitglieder mit Schlafstörungen, Magen-Darm-Problemen, Kopfschmerzen etc. krank geworden und hätten nicht mehr im Haus übernachten können. Da die zunächst vorgenommenen provisorischen Abschirmmaßnahmen (Metallgitter aus Alu-Fliegengitter) in keiner Weise ausgereicht hätten, um das Haus bewohnbar zu erhalten, hätten auf der Basis des baubiologischen Gutachtens professionelle Abschirmmaßnahmen getroffen werden müssen.

Das gesamte Dach und die beiden direkt der Sendeanlage exponierten Seiten des Hauses (Nordseite und Giebelseite nach Osten) seien abgeschirmt worden, nicht hingegen die Süd- und Westseite des Hauses, wo die gemessenen Feldstärken um den Faktor 100 und mehr unter den an den anderen Seiten gemessenen Feldstärken lagen; es sei also nur das absolut Nötigste gemacht worden, um ein weiteres Bewohnen des Hauses möglich zu machen. In den besonders exponierten Bereichen hätten die Abschirmmaterialien mehrfach verlegt werden müssen, um Aussicht auf eine einigermaßen ausreichende Wirkung zu haben. Nach Beendigung der Arbeiten sei der technische Erfolg der Abschirmmaßnahmen in einer erneuten baubiologischen Messung festgehalten worden, die am 07.12.2002 von der Umweltanalytik K (Gutachter Baubiologe und baubiologischer Messtechniker W. K.) durchgeführt worden sei, deren Abschirmmaterial) vornehmlich benutzt worden sei und die die Abschirmmaßnahmen beratend begleitet habe.

Die von dieser festgestellten starken Abschirmergebnisse hätten allerdings nur durch einen enormen finanziellen Aufwand von fast 38.500 EUR erreicht werden können. Seit dem Ende der Bauarbeiten würden sie nun wieder in ihrem Haus wohnen.

Eine Alternative zur Abschirmung habe nicht bestanden, da jede auch völlig unvorbereitete und unempfindliche Person sich vor der massiven Abschirmung in ihren, Haus so unwohl gefühlt habe, dass das Haus weder vermietbar noch verkäuflich gewesen wäre. Im Übrigen sei bei der Nähe der Sendeanlage ohnehin von einem Wertverlust um mehr als 50 % oder mehr auszugehen, was es ihnen unmöglich gemacht hätte, ein vergleichbares Objekt fern von Sendemasten zu erwerben.

Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahmen verwiesen die Kläger auf den Freiburger Appell der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin vom Oktober 2002, der die gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunk in komprimierter Form zusammenstelle, und legte...

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