Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des gemeinen Werts einer Zuwendung nach § 278 Abs. 2 AO bei einem dinglich belasteten Grundstück

 

Leitsatz (amtlich)

Ist im Rahmen einer Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO ein dinglich belastetes Grundstück Gegenstand der Zuwendung, so hat der Zuwendungsempfänger als Grundlage der Bemessung des Vermögensvorteils nicht den vollen Wert, sondern nur den um den Wert der Belastung geminderten Wert des Grundstücks erlangt.

 

Normenkette

AO § 278 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen VII R 1/07)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids nach § 278 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-.

Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr H. S., wurden für die Jahre 1992 und 1993 sowie 1995 und 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Durch notariellen Vertrag vom 11. Juni 1996 (vgl. Bl. 1 ff. Akten "Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO") übertrug Herr S der Klägerin das Eigentum an den mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücken in Q, H-Straße (Flurstücknr. 3132/4), sowie in L, A-Straße (Flurstücknr. 458 o). Das Grundstück in Q war bei Übergabe mit einer Grundschuld ohne Brief in Höhe von 800.000,00 DM zugunsten der Kreissparkasse K belastet; zum gleichen Zeitpunkt war für das in L belegene Grundstück eine (Buch-) Grundschuld in Höhe von 3.000.000,00 DM ebenfalls zugunsten der Kreissparkasse K eingetragen. Als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke verpflichtete sich die Klägerin, im Wege der Schuldübernahme die Darlehensschulden des Veräußerers bei der Kreissparkasse K in Höhe von ca. 2.900.000,00 DM, zu deren Sicherung die Grundschulden mit Zinsen und Nebenleistungen im Grundbuch eingetragen waren, einschließlich aller aus den Darlehensverträgen sich ergebenden Verpflichtungen zur ferneren Verzinsung und Tilgung zu übernehmen und das Fortbestehen der Grundschuld zu dulden (vgl. Bl. 8 Akten "Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO").

Auf Antrag des Ehemannes der Klägerin erließ der Beklagte unter dem 8. Oktober 2001 Aufteilungsbescheide für die Jahre 1992, 1993, 1995 und 1996. Danach entfielen die aus den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre fälligen und rückständigen Steueransprüche auf den Ehemann der Klägerin.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2003 nahm der Beklagte die Klägerin gemäß § 278 Abs. 2 AO für die zu diesem Zeitpunkt von deren Ehemann geschuldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 227.953,64 € in Anspruch. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Klägerin durch die Übertragung der beiden Grundstücke in Q und L unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet worden seien. Die Übertragung sei 1996 im bzw. nach den Veranlagungszeiträumen, für die noch Steuerrückstände bestünden, erfolgt. Den von Bausachverständigen ermittelten Verkehrswerten der Grundstücke in Q in Höhe von 562.421,06 € und in L in Höhe von 1.477.633,50 € (insgesamt 2.040.054,50 €) stehe die Gegenleistung in Form der Übernahme der Darlehensschulden bei der Kreissparkasse K in Höhe von 1.482.746,40 € gegenüber. Der gemeine Wert der Zuwendung der Vermögensgegenstände betrage demnach 557.308,10 €. In Höhe dieses Betrags könne die Klägerin für die aufgeteilte rückständige Steuer - über den im Aufteilungsbescheid bezeichneten Betrag hinaus - nach § 278 Abs. 2 AO in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Voraussetzungen des § 278 Abs. 2 AO nicht vorlägen. Mit der Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO solle die missbräuchliche Verschiebung von Vermögen als vorbereitender Akt für eine spätere Aufteilung verhindert werden. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke hätten weder Anhaltspunkte für die rückwirkende Entstehung der Steueransprüche noch für eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse vorgelegen. Ihr Ehemann und sie hätten 1996 keine nennenswerten Steuerschulden gehabt. Die erheblichen Steuernachforderungen des Beklagten seien erst durch die Steuerbescheide aus dem Jahr 2001 entstanden. Die Übertragung der beiden Grundstücke im Jahr 1996 habe deshalb auf keinen Fall erfolgen können, um Vermögenswerte dem Zugriff der Finanzbehörde zu entziehen.

Die vom Beklagten angegebenen Verkehrswerte seien deutlich überhöht. Die Gutachten der Bausachverständigen - insbesondere für das Objekt in L - bewegten sich außerhalb der Realität, die schon damals von einem Überangebot an sanierten Wohnungen gekennzeichnet gewesen sei und zu einem erheblichen Preisverfall bei Vermietungen geführt habe. Auch der Kapitalisierungsfaktor (Vervielfältiger von 21,36) sei nicht realistisch, weshalb in einer berichtigten Ertragswertberechnung ein Faktor von 18,18 (entspricht einem Kapitalisierungszins von 5,5 %) angesetzt worden sei. Ein Mietertrag von 12,50 DM/qm sei in dem Objekt in L niemals erzielt worden. Die Kreissparkasse K habe die restlichen Wohnungen im Jahr 2002 nach erfolgter Zwangsversteigerung zu einem Preis von ca. 980,00 DM/qm ankaufen müssen...

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