Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes von verheirateten Eheleuten im Ausland bei teilweiser berufsbedingter Aufenthalte des Vaters im Inland

 

Leitsatz (amtlich)

Zwischen verheirateten, nicht getrennt lebenden Ehegatten liegt auch bei erwerbsbedingten längeren Abwesenheiten des Ehemannes zwischen den Ehegatten ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG vor, wenn beide Ehegatten materiell und/oder immateriell zur Förderung der Familiengemeinschaft beitragen und eine familiäre Bindung besteht.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Differenzkindergeld für das Kind S, geb. 25.09.2012, für den Zeitraum September 2012 bis Dezember 2014, Januar und Februar 2016, sowie für das am 02.10.2015 geborene Kind H für Januar und Februar 2016.

Die Klägerin lebte im Streitzeitraum mit ihren beiden Töchtern in Bulgarien in der Ortschaft M in der S-Straße ... im Haus ihrer Schwiegermutter befand sich eine ca. 71 qm große Wohnung, die sowohl von der Klägerin mit ihren Kindern, als auch von ihrer Schwiegermutter bewohnt wurde. Die Wohnung bestand aus 3 Zimmern (1 gemeinsames Wohnzimmer, 2 Schlafzimmer), einer Küche und einem Badezimmer. Nach den Angaben der Klägerin finanzierte sie ihren Lebensunterhalt durch Arbeitslosengeld in Bulgarien und durch die finanziellen Unterstützungsleistungen ihres Ehemannes (Kindergeldakte der Klägerin - K-Akte, Bl.174).

Der als Zeuge vernommene Vater der Kinder ist mit der Klägerin seit dem 08.05.2011 verheiratet und wohnt seit 2009 in einer 42 qm großen Wohnung im …weg … in B (Deutschland). Er war seit 2009 als Bauhelfer, Trockenbauer im Inland tätig und erzielte daraus- mit Ausnahme des Jahres 2015- Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 2015 war er infolge eines Rückenleidens vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 erkrankt und erzielte keine inländischen Einkünfte. Melderechtlich war er auch in der von der Klägerin und den gemeinsamen Kindern und seiner Mutter bewohnten Eigentumswohnung seiner Mutter in Bulgarien registriert.

In der zur Vorlage an die Sozialbehörden im Inland übersetzten Bescheinigung der Agentur für soziale Unterstützung der Republik Bulgarien vom 09.02.2017 bescheinigte diese, dass die Klägerin für ihre beiden Töchter vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 nach dem bulgarischen Gesetz über Familienhilfe und Kindergeld monatliche Unterstützungsleistungen in Höhe von 85,00 BGN erhalten hatte und die Unterstützung ab dem 01.01.2017 eingestellt wurde (K-Akte, Bl.63).

Der als Zeuge vernommene Ehemann der Klägerin hatte bereits am 23. Dezember 2015 die Festsetzung von Kindergeld für die beiden Kinder für sich beantragt. Die Klägerin hatte sich in dem Antrag einverstanden erklärt, dass ihm das Kindergeld ausgezahlt wird (Bl. 1 ff d. Kindergeldakte des Vaters). Auf dem eingereichten Formular befindet sich die Unterschrift der Klägerin. Darunter heißt es: "Unterschrift des gemeinsam mit dem Antragsteller/ der Antragstellerin in einem Haushalt lebenden Ehepartners oder anderen Elternteils".

Als Wohnsitzanschrift gab der Kindsvater seine Anschrift "…weg … in B" (Deutschland) an. Mit Schreiben vom 04.01.2016 forderte die Familienkasse B von ihm bis zum 30.01.2016 diverse Unterlagen und Nachweise, die er nicht beibrachte (Bl. 7 ff d. Beiakte Kindergeld des Vaters).

Mit dem Kindsvater bekannt gegebenen Kindergeldbescheid vom 03.02.2016 lehnte die Familienkasse B den Kindergeldantrag für S und H ab dem Monat Januar 2011 ab (Kindergeldakte des Vaters, Bl.9). Der Bescheid wurde bestandskräftig. Erst am 23.06.2017 gab der Kindsvater eine Erklärung ab und übersandte die von der Familienkasse B angeforderte Unterlagen.

Mit Schreiben vom 23.06.20217 beantragte die Klägerin Kindergeld für S und H. Der Antrag war von ihr und ihrem Ehemann, dem Kindsvater, unterschrieben. Unter der Unterschrift des Ehemannes heißt es auch hier: "Unterschrift des gemeinsam mit dem/der Antragsteller/in in einem Haushalt lebenden Ehegatten/Ehegattin bzw. Lebenspartners/Lebenspartnerin oder anderen Elternteils bzw. dessen/deren gesetzlichen/gesetzliche Vertreters/Vertreterin" (K-Akte, Bl.1 ff.).

Für den Zeitraum ab März 2016 bis Dezember 2016 wurde Differenzkindergeld und mit weiterem Bescheid Kindergeld für S von Januar 2017 bis September 2030 und für H von Januar 2017 bis Oktober 2033 zugunsten der Klägerin festgesetzt (K-Akte, Bl.161).

Mit Bescheid vom 02. Mai 2018 hat die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum vor März 2016 abgelehnt (Bl. 158 f d. K-Akte der Klägerin) und damit begründet, dass durch die Bestandskraft eines vorherigen Bescheides gegenüber dem Ehemann der Klägerin die rückwirkende Kindergeldfestsetzung ausgeschlossen sei. Eine Festsetzung des Kindergeldes sei somit erst ab März 2016 möglich (Bl. 158 ff d. K- Akte).

Gegen diesen Ablehnungsbescheid vom 02.05.2018 hat die Klägerin vertreten durch den Prozessbevollmächtigten Einspruch erhoben (Bl. 172 f. d. K- Akte). Zur Begründung wurde vorgetragen, der gegenüber dem E...

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