Revision eingelegt (BFH III R 17/11)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendungsbereich der VO (EWG) 1408/71 - Ausschluss der Anwendung deutschen Kindergeldrechts bei Erntehelfern mit Wohnsitz in Polen

 

Leitsatz (amtlich)

Für Zeiträume, für die ein polnischer Arbeitnehmer dem polnischen Recht über soziale Sicherheit unterliegt, besteht, auch wenn zeitweise eine Beschäftigung im Inland stattfand, kein Anspruch auf Kindergeld. Die vorrangigen Regelungen Polens werden durch das Gemeinschaftsrecht als maßgeblich für den Anspruch auf Familienleistungen für die Klägerin bestimmt. Auf eine unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG kommt es nicht an.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 1; VO (EWG) 1408/71 Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a; EWGV 1408/71 Art. 13, 14 Nr. 2 Buchst. b i

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.08.2013; Aktenzeichen III R 17/11)

BFH (Urteil vom 08.08.2013; Aktenzeichen III R 17/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der aus Polen stammenden Klägerin wegen ihres Aufenthaltes im Inland als Erntehelferin Kindergeld für zwei ihrer in Polen lebenden Kinder zusteht.

Die am 30. Mai 1987 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Polen. Sie ist verheiratet, ihr Ehemann wohnt ebenfalls in Polen. Für ihre am 15. April 1988 (Ka.), 1. Oktober 1989 (K) und 25. Juli 1995 (A) geborenen Kinder beantragte sie am 29. Oktober 2007 Kindergeld. Sie gab hierzu an, vom 12. April 2006 bis 4. Juli 2006 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei der S GdbR in D (als Erntehelferin) beschäftigt gewesen zu sein. Der Arbeitgeber bestätigte die Vorlage einer Bescheinigung E 101 seitens der Klägerin für den Zeitraum. Gemäß einer besonderen Lohnsteuerbescheinigung 2006 erzielte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn von 5002,40 € bei einer einbehaltenen Lohnsteuer von 138,49 €. Weiterhin legte sie für ein Kind (Ka.) eine Bescheinigung E 402 vor.

Die Beklagte fragte nach, ob für die drei Kinder von einer anderen Stelle Kindergeld gezahlt werde, beziehungsweise warum eventuell kein Antrag hierzu gestellt worden sei. Für den Fall, dass über den genannten Zeitraum hinaus Kindergeld beantragt werde, seien für das Kind K, welches im Oktober 2006 sein 18. Lebensjahr vollendet habe, Erklärungen zu den Einkünften und Bezügen sowie eine Bescheinigung 402 beizufügen.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 wurde der Antrag auf Kindergeld abgelehnt. Zur Begründung trug die Beklagte vor, während der Zeit der Beschäftigung in 2006 habe keine Versicherungspflicht zur Bundesagentur für Arbeit bestanden, da die Klägerin laut E 101 weiterhin den polnischen Rechtsvorschriften unterlegen habe. Nach Artikel 13 bis 17 VO (EWG) 1408/71 bestehe daher kein deutscher Kindergeldanspruch.

Mit ihrem Einspruch hiergegen trug die Klägerin vor, anzuwenden sei die Verordnung (EWG) 1408/71. In Anwendung dieser Verordnung bestimme der Artikel 13 ausgehend davon, welcher Mitgliedstaat Beschäftigungsland sei, die danach maßgeblichen Rechtsvorschriften. Die in Deutschland tätige Klägerin habe nach Artikel 73 VO 1408/71 für ihre in Polen wohnenden Kinder Anspruch auf Familienleistungen nach §§ 62 ff EStG. Eine etwaige Sozialversicherungspflicht sei nicht Tatbestandsmerkmal dieser Vorschriften. Die Sozialversicherungspflicht werde allein zur Bestimmung des Beschäftigungslandes im Rahmen der Einordnung der maßgeblichen Rechtsvorschriften herangezogen. Die Frage der Sozialversicherungspflicht sei jedoch lediglich das Ergebnis der Kollisionsregelung in Artikel 13 ff. VO (EWG) 1408/71. Im Streitfall gehe es jedoch nicht gemäß dieser Vorschrift um die Frage, in welchem Land eine Sozialversicherungspflicht bestehen müsse. Das Beschäftigungsland und damit die Frage, welche mitgliedstaatlichen Vorschriften Anwendung finden, seien bereits bei der Frage geklärt worden, dass die Vorschriften des Landes für die begehrten Leistungen maßgeblich seien. Gemäß der alten Rechtsprechung des EuGH hätten einzelne Finanzgerichte maßgeblichen auf die Frage abgestellt, in welchem Mitgliedstaat ein Kläger einer Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Dies sei bezüglich der Prüfung eines Kindergeldanspruches unmaßgeblich. Nach dem Urteil des EuGH vom 20. Mai 2008 (C-352/06) führe die Bestimmung des Beschäftigungsstaates nicht dazu, dass trotz Vorliegens der mitgliedstaatlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes dieses nicht gewährt werde. Diese Betrachtung verstoße gegen den EG-Vertrag und die erlassenen Verfügungen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Einspruchsbegründung und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen werde auf die Schriftsätze vom 21. Juni 2008 (Blatt 30 bis 36 der Kindergeldakte) und 8. August 2008 (Blatt 74 bis 79 der Kindergeldakte) verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung trug die Beklagte vor, ob deutsches Kindergeldrecht anwendbar sei, bestimme sich im Verhältnis zur anderen Staaten der EU nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) beziehungsweise d...

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