Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines in Deutschland selbständig tätigen polnischen Staatsbürgers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Kindergeld eines in Deutschland selbständig tätigen polnischen Staatsbürgers, der nicht der Versicherungspflicht der deutschen Rentenversicherung unterliegt, ist für seine in Polen bei seiner Ehefrau lebenden Kinder allenfalls dann ausgeschlossen, wenn und soweit ihm oder seiner Ehefrau in Polen Leistungen gewährt wurden bzw. werden oder bei entsprechender Antragstellung zu gewähren (gewesen) wären, die dem Kindergeld vergleichbar sind.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 3, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 81/08)

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 81/08)

 

Tatbestand

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und begehrt die Gewährung von Kindergeld.

Der Kläger war bis Januar 2007 in Polen selbständig tätig. Seit 01. Januar 2007 ist er als Unternehmer im Baugewerbe in Deutschland selbständig tätig und begründete in E einen zweiten Wohnsitz. Die Ehefrau des Klägers ist nicht erwerbstätig und wohnt mit den gemeinsamen 6 Kindern in Polen.

Am 03. März 2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld. In seinem Antrag gab er u.a. an, er sei nicht in Deutschland, sondern in Polen sozialversichert, und legte den Vordruck E 401 PL, den Vordruck E 402 PL sowie den Vordruck E 411 PL vor (Bl. 24 - 33 der Kindergeldakte).

Mit Bescheid vom 07. Mai 2007 wurde der Antrag des Klägers auf Kindergeld abgelehnt, da eine Berücksichtigung nach überstaatlichen Rechtsvorschriften nicht erfolgen könne, da die Voraussetzungen hierfür - beitragspflichtige Beschäftigung bzw. Bezug von Lohnersatzleistungen - nicht erfüllt seien.

Am 10. Mai 2007 legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, er habe in Deutschland seinen Zweitwohnsitz und übe im Inland eine selbständige Tätigkeit im Baugewerbe aus. Außerdem sei er in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Eine entsprechende Bescheinigung des Finanzamtes werde er innerhalb von drei Wochen nachreichen. Er legte eine Bestätigung des Steuerberaters R vom 09. Mai 2007 vor, dass er - der Kläger - bei der Verbandsgemeinde E einen Gewerbebetrieb angemeldet habe und beim Finanzamt O unter der Steuernummer 05365252752 geführt werde. Des Weiteren legte der Kläger ein Schreiben in polnischer Sprache vor, bei dem es sich - so die von der Beklagten eingeholten Übersetzung - um ein Schreiben der Sozialversicherungsanstalt, Abteilung in G, handele und in dem ausgeführt werde, dass der Kläger "Versicherungsleistungen zwecks Leitung einer Wirtschaftstätigkeit erhalten hat", und zwar vom 05. Februar 2006 bis zum Tag des Schreibens, dem 21. Juni 2007.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06. August 2007 wurde der Einspruch zurückgewiesen, da kein Anspruch auf Kindergeld bestehe, weil das deutsche Kindergeldrecht nicht anwendbar sei (Verweis auf Nr. 1408/71 der Verordnung EWG und 574/72 Durchführungsverordnung EWG).

Am 05. September 2007 hat der Kläger Klage erhoben.

Er trägt ergänzend vor, seine Tätigkeit habe er vollständig in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. In Polen übe er keinerlei Tätigkeiten mehr aus, weder als Arbeitnehmer noch als Selbständiger. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten beruhten auf einer fehlerhaften Übersetzung der Bescheinigung der polnischen Anstalt für Sozialversicherungen (ZUS). Aus dieser Bescheinigung solle sich laut Übersetzung der Beklagten ergeben, dass er, der Kläger, weiterhin Leistungen (Familienleistungen) in Polen erhalte. Dies sei nicht der Fall. Wie dem in Anlage beigefügten Bescheid der Familienkasse in G nebst Übersetzung (Bl. 31 ff. der Gerichtsakte) zu entnehmen sei, seien die Familienleistungen (Kindergeld) für die Monate Februar und März 2007 inzwischen zurückgefordert worden. Aus der in Anlage beigefügten richtigen Übersetzung der Bescheinigung der polnischen Anstalt für Sozialversicherungen (Bl. 10 der Gerichtsakte) ergebe sich, dass er seit 05. Februar 2006 an die polnische Sozialversicherung Beiträge für Kranken-, Alters- und Berufsunfähigkeitsversicherung zahle und dort als selbständiger Unternehmer versichert sei. Zwischenzeitlich sei von der polnischen Sozialversicherung unter dem 21. August 2007 eine neue Bescheinigung ausgestellt worden, die ebenfalls in Anlage beigefügt sei (Bl. 13 - 15 der Gerichtsakte). Eine entsprechende Übersetzung dieses in polnischer Sprache verfassten Schriftstücks sei bereits veranlasst und werde in Kürze vorgelegt. Er übe seine selbständige Erwerbstätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland aus. Dementsprechend unterliege er gem. Art. 13 Ziff. 2 b der Verordnung EWG Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland. Artikel 14 a Ziff. 1 der Verordnung EWG 1408/71 sei nicht einschlägig, da er keine Tätigkeit in Polen mehr ausübe. Entsprechendes gelte nach der neuen Verordnung EG Nr. 883/2004, Art. 11 Ziff. 3 i.V.m. den Art. 12 - 16 der Verordnung.

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