Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschätzungen wegen ungeklärter Geldzuflüsse, Ausfuhrlieferungen, innergemeinschaftliche Lieferungen, Vorsteuerabzug
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist die Finanzbehörde dem Grunde nach zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er zu führen hat, nicht vorlegen kann oder die Buchführung und Aufzeichnungen in wesentlichen Zügen formell mangelhaft sind und deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO besteht die Schätzungsbefugnis allerdings auch bei formell ordnungsgemäßen Aufzeichnungen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die inhaltliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Aufzeichnungen vorliegen.
Normenkette
AO § 162; UStG §§ 6, 6a, 15 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind:
- Zuschätzungen aufgrund ungeklärter Geldzuflüsse
- die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen
- die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen
- Vorsteuerkürzungen.
Die Klägerin betreibt einen Kraftfahrzeughandel. Sie versteuert ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG.
Ihre Ausfuhrlieferungen wickelte die Klägerin in der Weise ab, dass sie zunächst Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer erstellte. Der Rechnungsbetrag wurde vom Kunden in voller Höhe beglichen, wobei die Umsatzsteuer als „Kaution“ bezeichnet wurde. Nach Vorlage des Ausfuhrnachweises erstattete die Klägerin dem Käufer die Kaution in Höhe der Umsatzsteuer zurück.
Bis zum Jahr 2000 wurden anschließend berichtigte Rechnungen erteilt.
In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin folgende Beträge:
|
2000 |
2001 |
2002 |
Umsätze 16% |
357.908,00 DM |
342.503,00 DM |
199.622,00 € |
Differenz § 25a UStG |
7.673,64 DM |
22.310,00 DM |
4.311,53 € |
Ausfuhren |
171.823,00 DM |
90.714,00 DM |
52.622,00 € |
innergem. Lieferungen |
21.982,00 DM |
49.000,00 DM |
5.500,00 € |
Vorsteuern |
68.303,39 DM |
64.398,06 DM |
21.332,36 € |
Der Beklagte führte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Zeiträume Januar bis Mai 2003 durch. Das Prüfungsergebnis ist im Prüfungsbericht vom 03.03.2005 dargestellt.
Bei den Umsätzen mit 16% MwSt und den Ausfuhrlieferungen gemäß § 4 Nr. 1a UStG, sowie den Vorsteuern stellte der Prüfer Differenzen zwischen den erklärten Beträgen und den Beträgen, die sich aus den Aufzeichnungen ergaben, fest (Tz. 15.1 des Prüfungsberichts). Der Prüfer legte der Ermittlung der Umsätze die sich aus den Aufzeichnungen ergebenden Beträge zugrunde (Tz. 18 des Prüfungsberichts).
Bei einem inneren Betriebsvergleich ergaben sich bei den Rohgewinn-Aufschlagsätzen hohe Schwankungen, die der Prüfer mit gravierenden Aufzeichnungsmängeln erklärte (Tz. 15.2 des Prüfungsberichts). Aufzeichnungen gemäß § 25a Abs. 6 UStG fand der Prüfer zunächst nicht vor; ein nachträglich während der Prüfung erstelltes „Fahrzeugbuch“ mit Aufzeichnungen für die Jahre 2001 und 2002 erachtete er als unvollständig (Tz. 15.3 des Prüfungsberichts). Zudem stellte er in den Jahren 2000 und 2001 Geldzuflüsse fest, deren Herkunft unklar blieb (Tz. 19 des Prüfungsberichts).
Die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferungen für 2001 und 2002 erkannte der Prüfer nicht an, da er für den Prüfungszeitraum keine berichtigten Rechnungen feststellen konnte und die Originalrechnungen auch nicht eingezogen worden waren; die ausgewiesenen und als Kaution bezeichneten Steuerbeträge erfasste er gemäß §14 Abs. 2 UStG (Tz. 16 des Prüfungsberichts).
Die innergemeinschaftlichen Lieferungen behandelte er als steuerpflichtig, da die erforderlichen Buch- und Belegnachweise nicht vorgelegen hätten. Insbesondere wurde in allen Fällen beanstandet, dass der Verbringungsnachweis gefehlt habe (Tz. 17 des Prüfungsberichts). Daneben war im Fall der Rechnung vom 15.03.2000 die angegebene USt-ID.Nr. nicht mehr gültig und im Fall der Rechnung vom 13.06.2001 fehlte die USt-ID.Nr.
Aus den festgestellten Mängeln bei den Aufzeichnungen zur Differenzbesteuerung gemäß § 25a Abs. 6 UStG wurden keine steuerlichen Konsequenzen gezogen.
Für das Jahr 2000 wurden bei den Umsätzen zu 16% wegen der ungeklärten Geldzuflüsse 173.027 DM hinzu geschätzt, für das Jahr 2001 erfolgte eine Hinzuschätzung von 300.000 DM (Tz. 18 des Prüfungsberichts).
Bei den Vorsteuern wurden die sich aus den Aufzeichnungen ergebenden Beträge zugrunde gelegt (Tz. 20 des Prüfungsberichts). Daneben erfolgten Vorsteuerkürzungen wegen Mängeln der Eingangsrechnungen (Tz. 20, 22, 23, 24 des Prüfungsberichts). Für den am 03.12.2000 erworbenen Abschleppwagen mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 000 wurden die Vorsteuern aus den Anschaffungskosten um 50% gekürzt (Tz. 20, 21 des Prüfungsberichts).
In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2000 bis 2002 berücksichtigte die Klägerin die vom Prüfer festgestellten Differenzen bei den Umsätzen zu 16% und den Vorsteuern. Die Erklärungen galten als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 04.04.2005 erließ der...