Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Verhältnis der Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 AO und finanzgerichtlichem Verböserungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Finanzgericht unter Hinweis auf das Verböserungsverbot von einer Änderung des ursprünglich angefochtenen Bescheid zu Lasten des Kläger abgesehen, schließt dies eine weitere Änderung nach § 174 Abs. 4 AO durch das Finanzamt aus.

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 4; FGO § 110

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.06.2012; Aktenzeichen VI R 92/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung eines Steuerbescheids vorliegen.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben unstreitigen Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung erzielten sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, der Kläger als Geschäftsführer und die Klägerin als Prokuristin der Eisen- und Schrotthandelsgesellschaft G GmbH in T.

Nachdem der Beklagte die Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1997 bis 2003 im Wesentlichen antragsgemäß durchgeführt hatte, wurde im Rahmen einer bei der o.g. GmbH in 2005 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung u.a. festgestellt (vgl. Anlage zum Prüfungsbericht vom 02.01.2006, Bl. 116 ff „Klage-Akte“), dass nach einer von dem Sozialversicherungsträger DAK vertretenen versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Prokuristin diese keine eine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung auslösende abhängige Beschäftigung sei. Daher wurden die seit Beginn der Tätigkeit gezahlten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in freiwillige Beiträge umgewandelt, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung wurden an den Arbeitgeber zurückgezahlt. Diese Arbeitnehmeranteile wurden vom Arbeitgeber nicht an die Klägerin weitergegeben. Nach Auffassung des Prüfers führte die Feststellung des Sozialversicherungsträgers, die mit Schreiben vom 15.05.2002 mitgeteilt worden war, zum rückwirkenden Wegfall der bis dahin für die Klägerin angenommenen Versicherungspflicht. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG seien weggefallen. Die in freiwillige Beiträge umgewandelten Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung seien im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum der Klägerin zugeflossen und als Arbeitslohn zu versteuern, ebenso die ab Juni 2002 gezahlten Zuschüsse des Arbeitgebers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. Dem gegenüber liege, weil die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung an den Arbeitgeber erstattet worden seien und die Arbeitnehmeranteile nicht an die Klägerin ausgezahlt worden seien, in Höhe dieser Arbeitnehmeranteile eine Rückzahlung von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Erstattung vor. Hieraus ergebe sich folgende Erhöhung der Bruttoarbeitslöhne der Klägerin:

Kalenderjahr

Kranken- und Pflegevers.

Rentenvers.

Arbeitslohnrückzahlung

Insgesamt

1997

3.753,05 DM

4.882,15 DM

8.635,20 DM

1998

4.807,25 DM

6.343,75 DM

11.151,00 DM

1999

4.883,75 DM

6.153,75 DM

11.037,50 DM

2000

4.843,75 DM

6.031,25 DM

10.875,00 DM

2001

4.870,88 DM

6.002,18 DM

10.873,06 DM

bis Mai 2002

1.056,05 €

1.245,10 €

ab Juni 2002

1.913,66 €

4.583,81 €

- 369,00 €

2003

2.939,60 €

201,87 €

2.737,73 €

Die Einkommensteuerveranlagungen der Kläger seien ab 1997 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, die nachzuversteuernden Beträge seien gleichzeitig im Rahmen der Höchstbeträge abziehbare Vorsorgeaufwendungen.

Der Beklagte folgte dieser Auffassung in den nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1997 bis 1999 bzw. nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2000 bis 2002 und dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2003, jeweils vom 03. April 2006, für 2002 und 2003 erhöhte er wegen anderer unstreitiger Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung gleichzeitig den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 961 Euro bzw. 605 Euro.

Nachdem die dagegen erhobenen Rechtsbehelfe erfolglos geblieben waren, entschied der Senat auf die von den Klägern erhobene Klage mit Urteil vom 13. September 2007 (Az. 1 K 2180/06, Juris), dass zwar im Grundsatz wegen des Entschlusses des Arbeitgebers der Klägerin, die an sich ihm zustehenden Erstattungsbeträge an den Arbeitnehmer weiterzugeben, und entsprechender Umsetzung ein Zufluss von Bruttoarbeitslohn an die Klägerin anzunehmen sei. Weil dieser Vorgang im damaligen Streitfall aber erst im Jahre 2002, dem nunmehrigen Streitjahr, und nicht in den Jahren 1997 bis 2001 erfolgt sei, hob der Senat die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide für diese Jahre mangels Zufluss von Arbeitslohn auf, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Der so verstandene Zufluss der für die Jahre 1997 bis 2001, der für Januar bis Mai 2002 und der von Juni bis Dezember 2002 gezahlten Arbeitgeberanteile sei im Streitjahr 2002 erfolgt. Eine Saldierung des danach in 2002 insgesamt anzusetzenden Br...

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