Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur verbilligten Überlassung von Aktien des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ableitung des Wertes von Aktien aus – aus Sicht bei Aktienüberlassung – zurück liegenden Verkäufen setzt voraus, dass diese weniger als ein Jahr zuvor und im Rahmen desgewöhnlichen Geschäftsverkehrs stattgefunden haben. Ist dies nicht der Fall, so kann der Wert auch aus zeitnah nach der Überlassung erfolgten Veräußerungen abgeleitet werden, wenn der Kaufpreis nach den Gesamtumständen des Einzelfalles bereits z.Zt. der Aktienüberlassung feststand.

 

Normenkette

EStG 1998 § 19a Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8; Bewertungsgesetz § 11 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.07.2010; Aktenzeichen VI R 53/08)

BFH (Urteil vom 29.07.2010; Aktenzeichen VI R 53/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin von ihrer Arbeitgeberin Aktien verbilligt überlassen wurden.

Die mit dem Kläger zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Klägerin war Arbeitnehmerin der D GmbH, K (im Folgenden: D), einem Spezialsoftwareunternehmen. Im Juni 1998 wurde die D rückwirkend zum 01. Januar 1998 von der M AG, H (im Folgenden: AG), die Spezialsoftware für die Bereiche Architektur und Bauwirtschaft entwirft, entwickelt und vertreibt, übernommen (100 %iges Tochterunternehmen).

Die AG hatte von Ende 1997 bis Ende 1998 im Vorfeld ihres zum 17. November 1998 erfolgten Börsenganges folgende Kapitalerhöhungen durch Ausgabe neuer Aktien im Nennwert von je 5,00 DM vorgenommen:

  • Zum Jahreswechsel 1997/1998: 1.200.000 neue Aktien im Zuge der Zusammenführung mit der Spezialsoftwarefirma ...-Programme Software im Bauwesen GmbH auf die beiden Vorstände der AG M und W. Mitarbeiter der AG konnten diese Aktien zum Mindestausgabepreis von 17,80 DM erwerben. 223.000 dieser Aktien durften auch an Nichtmitarbeiter (ggfs. Geschäftsfreunde etc.) zu Preisen zwischen 5,00 und 19,20 DM ausgegeben werden.
  • Mai 1998: weitere 560.000 neue Aktien, im Wesentlichen an Mitarbeiter der AG und solche von Tochterunternehmen bzw. an Geschäftsfreunde zu - so die Klägerin - einem Durchschnittspreis von 17,15 DM pro Aktie.
  • Darüber hinaus wurden weitere 720.000 Aktien gegen Einbringung eines weiteren Softwareunternehmens, das bereits seinen Börsengang geplant hatte, an dessen Aktionäre ausgegeben.
  • August 1998: 100.000 neue Aktien an die beiden o.g. Vorstände der AG gegen Einlage ihrer Geschäftsanteile an der D.
  • 12. Oktober 1998: Beschluss der AG über eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 600.000 weiteren neuen Aktien an Mitarbeiter der D.
  • 14. Oktober 1998: Beschluss einer Kapitalerhöhung um 3.000.000,00 DM durch Ausgabe von 600.000 neuen Stückaktien. Diese Aktien wurden von der Nord/LB für ein Bankenkonsortium mit der Verpflichtung übernommen, sie am neuen Markt zu einem noch festzulegenden Kaufpreis zu platzieren und den sich hieraus ergebenden Mehrerlös an die AG abzuführen.

Im Rahmen der o.g. Übernahme der D war deren Mitarbeitern im Juni 1998 angeboten worden, Aktien der AG zu einem Preis von je 17,80 DM zu erwerben. Die Klägerin zeichnete daraufhin am 13. Oktober 1998 20.000 neue Aktien. (Wegen des Wortlautes des Zeichnungsscheines wird auf Bl. 98 EST-Akten 1998 verwiesen.) Den Kaufpreis von 356.000,00 DM entrichtete sie mit Wertstellung vom 27. Oktober 1998. Das entsprechende Depot wurde Anfang November 1998 auf sie übertragen.

In einem von der AG in Vorbereitung ihres Börsenganges erstellten Emissionsprospekt vom 11. November 1998 wurde der am Tag zuvor festgelegte Preisrahmen für Aktien der AG mit 54,00 DM bis 62,00 DM angegeben.

Unter dem 14. November 1998 (Ende des Bookbuildings) wurde der Platzierungspreis auf 62,00 DM festgelegt. Am Tag der Erstnotierung, dem 17. November 1998, wurden die vielfach überzeichneten Aktien der AG zu einem Preis von 70,00 DM gehandelt.

Die Konsortialführerin Nord/LB hatte in einer Unternehmensanalyse zur Börseneinführung der AG vom 02. November 1998 einen Betrag von 58,00 DM als „fairen Marktpreis“ für die Aktie der AG bezeichnet (Bl. 50 ff. Rechtsbehelfsakten).

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger keine Angaben zu dem Aktienerwerb der Klägerin. Das Finanzamt wurde hiervon erst durch eine Prüfungsmitteilung des Finanzamtes H, das bei der AG und der D eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt hatte, in Kenntnis gesetzt. Das Finanzamt H vertrat die Auffassung, dass, da bereits zuverlässige Werteinschätzungen für den tatsächlichen Emissionspreis bzw. für den Börsenkurs am ersten Handelstag vorgelegen hätten, der gemeine Wert der Aktien auf den untersten Wert der „Bookbuilding-Spanne“, d.h. auf 54,00 DM, zu schätzen sei. Der danach zu versteuernde Vorteil betrage somit 36,20 DM je Aktie (54,00 DM abzüglich 17,80 DM).

Dem folgend änderte das beklagte Finanzamt den vorausgegangenen, bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 25. Juli 2002 mit auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestütztem Änderungsbescheid vom 09. Mai 2003 dahin, dass es die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit um ...

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