Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips hinsichtlich des Kindergeldes bei zeitweise vollzeitbeschäftigten volljährigen Kindern -

 

Leitsatz (redaktionell)

Geht das Kind in dem Zeitraum, in dem es die gesetzlichen Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG erfüllt, einer Erwerbstätigkeit nach und übersteigen seine gesamten Einkünfte und Bezüge den (anteiligen) Jahresgrenzbetrag nicht, besteht ein Anspruch auf Kindergeld unabhängig davon, ob es sich bei der Erwerbstätigkeit um eine Vollzeiterwerbstätigkeit handelt.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, c, S. 2, § 63 Abs. 1 Satz 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen III R 64/10)

BFH (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen III R 64/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit das Meistbegünstigungsprinzip hinsichtlich des Kindergeldes bei zeitweise vollzeitbeschäftigten volljährigen Kindern nach Änderung der Rechtsprechung durch BFH-Urteil vom 16.11.2006 III R 15/06 noch Anwendung findet.

Der Sohn A (geboren 17.06.1989) des Klägers beendete im Februar 2008 seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Da die Einkünfte und Bezüge von A ab Vollendung des 18. Lebensjahres den anteiligen Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten hatten, hatte die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2007 die Bewilligung von Kindergeld für A ab Juli 2007 aufgehoben. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31.10.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.

Nach Mitteilung, dass für die Monate Januar und Februar 2008 der anteilige Jahresgrenzbetrag (1.280 €, d.h. 2/12 von 7.680 €) nicht überschritten werde, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 06.12.2007 Kindergeld für A für Januar und Februar 2008. Ausweislich der Berechnung der Beklagten betrugen die Einkünfte von A in diesem Zeitraum 1.219,11 €.

Bezüglich der weiteren Tätigkeit von A teilte der Kläger am 15.02.2008 mit, dass A bis Mitte 2008 bei der Bank 1 beschäftigt sei und ab dem neuen Schuljahr, d.h. ab September 2008 die Berufsoberschule zur Erlangung des Abiturs besuchen werde.

Mit Bescheid vom 21.02.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Kindergeld für A ab März 2008 auf. Zur Begründung war ausgeführt, dass A im Februar 2008 die Berufsausbildung beendet habe und danach kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestehe.

Im Hinblick auf den beabsichtigten Ausbildungsbeginn im September 2008 und die in diesem Zusammenhang erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Bank 1 zum 31.08.2008 beantragte der Kläger am 24.06.2008 die Bewilligung von Kindergeld für A ab September 2008. In der Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes für 2008 gab er an: „Mein Kind wird ab Sept. 2008 voraussichtlich keine Einkünfte und Bezüge haben.”

Mit Bescheid vom 26.09.2008 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Kindergeld ab Januar 2008 auf. Zur Begründung trug sie vor, die kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen lägen für das gesamte Kalenderjahr 2008 vor. So habe A bis Februar 2008 in Berufsausbildung gestanden, so dass der Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vorliege, für den Zeitraum März bis August 2008 liege der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG vor, weil A eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht habe beginnen können und ab September, dem Besuch der Berufsoberschule, liege wiederum der Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vor. Somit seien alle Einkünfte und Bezüge von A im Jahr 2008 zu berücksichtigen. Diese überstiegen allerdings den Jahresgrenzbetrag (lt. Berechnung der Beklagten betrugen diese im Jahr 2008 insgesamt 9.061,92 €). Zugleich wurde zuviel gezahltes Kindergeld für Januar und Februar 2008 i.H.v. 308 € zurückgefordert, § 37 Abs. 2 AO.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 01.12.2008 war dazu ausgeführt, dass im Hinblick auf die Änderung der Rechtsprechung durch das BFH-Urteil vom 16.11.2006 III R 15/06, BStBl. II 2008, 56 auch die Zeiten der Vollerwerbstätigkeit zu berücksichtigen seien, wenn gleichzeitig der Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a-c EStG erfüllt sei.

Mit seiner Klage beantragt der Kläger den Aufhebungsbescheid vom 26.09.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 01.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für A für das Kalenderjahr 2008 für die Monate zu bewilligen, in denen A keiner Vollzeiterwerbstätigkeit nachgegangen sei.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Rechtsprechung des BFH bei Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit des volljährigen Kindes eine typische Unterhaltssituation verneine. Zwar habe der BFH in seinem Urteil vom 16.11.2006 III R 15/06 seine Rechtsprechung zum Meistbegünstigungsprin...

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