Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen der divergierenden Entscheidung eines Zivilgerichts über die Beurteilung von Leistungen aus einem Übergabevertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abgrenzung zwischen dauernder Last und Leibrente ist keine zivilrechtliche Frage, sondern ein spezifisch steuerrechtliches Problem, das als Sonderrecht der Vermögensübergabe bezeichnet wird. Die Entscheidung über die steuerrechtliche Beurteilung solcher Leistungen obliegt den Finanzbehörden und kann nur von den Finanzgerichten überprüft werden.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung des Finanzamts zur Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide.

Mit notariellem Vertrag vom... übertrug die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann ein Brauereiunternehmen inA. samt Inventar und Grundstücken auf ihren Sohn. Im Übergabevertrag wurde u. a. folgendes bestimmt (VI. not. Vertrag):

Die Übergeber erhalten bis zum Tode des Längstlebenden eine monatliche Leibrente. Diese wurde ausschließlich nach den Lebensbedürfnissen der Übergeber festgesetzt und soll diesen als Lebensunterhalt dienen und deshalb wertbeständig sein.

Das Finanzamt behandelte erklärungsgemäß die von der Klägerin bezogene Rente als Leibrente und legte den sog. Ertragsanteil der Einkommensteuerveranlagung zugrunde; die Veranlagungen für die Jahre 1992 bis 1997 wurden bestandskräftig.

Nach verschiedenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Beschluss des Großen Senats vom 15. 7. 1991, BStBl II 1992, 78 und Urteil vom 11. 3. 1992 X R 141/88, BStBl II 1992, 499) zur steuerlichen Beurteilung von Vermögensübergabeverträgen ging das Finanzamt nun davon aus, dass ab 1992 die von der Klägerin bezogene Rente wegen der Abänderbarkeit alsdauernde Last anzusehen sei. Dementsprechend unterwarf es die Rentenzahlungen in voller Höhe der Besteuerung. Die Einsprüche der Klägerin wurden bestandskräftig zurückgewiesen.

Hierauf verklagte die Klägerin ihren Sohn auf Anpassung der Rentenzahlungen wegen der nicht vorhersehbaren Steuerbelastung. Die Klage wurde durch Urteile des LandgerichtsB. (...) und des Oberlandesgerichts - OLG -C. (...) zurückgewiesen; die Revision wurde vom Bundesgerichtshof (Beschluß vom... ) nicht zur Entscheidung angenommen.

In seinem Urteil ging das OLG davon aus, dass es sich bei der Zahlungsverpflichtung des Sohnes nach wie vor (auch steuerlich) um eine Leibrente handele.

Darauf beantragte die Klägerin am 18. 7. 2000 beim Finanzamt eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1997. Dies lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 29. 9. 2000 unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom 18. 8. 2000 ab. Es erklärte sich aber bereit, ab 1998 die Leistungen wieder als Leibrente zu versteuern.

Mit Einspruchsentscheidung vom 17. 1. 2001 wies das Finanzamt den Einspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen:

Zu Unrecht habe das Finanzamt den Änderungsantrag abgelehnt, obwohl mit der zivilrechtlichen Klarstellung durch das OLG-C. eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliege. Zu den Tatsachen i. S. d. Vorschrift gehörten auch Rechtsverhältnisse aus anderen steuerrechtlichen Gebieten, die Grundlage einer steuerrechtlichen Beurteilung seien. Infolgedessen sei ein abschließendes Urteil des Zivilgerichts als Tatsache anzusehen. Diese Auffassung werde auch vom Bundesfinanzhof und in der Literatur geteilt. Mit dieser Auffassung sei keine Bindung der Finanzverwaltung oder des Finanzgerichts an die Entscheidung eines Zivilgerichts postuliert.

Falls das Finanzgericht mit der zivilgerichtlichen Deutung des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses übereinstimme, sei die Erhellung eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses durch das Urteil des Zivilgerichts eine Tatsache i. S. v. § 173 AO.

Falls der erkennende Senat von der rechtlichen Wertung des OLG-C. abweiche, läge eine „widerstreitende Tatsachenfeststellung“ vor. Diese Frage sei unter dem Blickwinkel von § 173 AO bislang noch nicht entschieden worden und hätte somit grundsätzliche Bedeutung im Sinne einer Revisionszulassung.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 29. 9. 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. 1. 2001 das Finanzamt zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1997 dahingehend zu ändern, dass die Zahlungen aus dem Übergabevertrag vom 11. 1. 1980 als Leibrente mit dem Ertragsanteil erfaßt werden.

hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat im Wesentlichen unter Verweisung auf die Einspruchsentscheidung ausgeführt:

Die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide lägen nicht vor. Als Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO seien Lebensvorgänge a...

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