Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines Einkommensteuerbescheids wegen Auflösung einer Rücklage nach § 7g Abs. 4 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Gibt der Steuerpflichtige keine Steuererklärung ab, ist das Finanzamt berechtigt, einen bestandskräftigen Schätzungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn es nachträglich von steuerrechtlich relevanten Sachverhalten des Steuerpflichtigen erfährt, die das bisherige Schätzungsergebnis übersteigen. Danach kann ein bisher nicht berücksichtigter Geschäftsvorfall eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sein. Dabei ist zu prüfen, ob nach dem Bekanntwerden weiterer Schätzungsgrundlagen die bisherige durch eine neue Schätzung ersetzt werden soll.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 7g Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2003 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 wegen der Auflösung einer Rücklage nach § 7g Abs. 4 EStG a.F.

Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Gärtner Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die für die Jahre 2001 und 2002 erstellten Steuerbilanzen wiesen aus dem Garten- und Landschaftsbau einen Gewinn von 25.713 € bzw. 21.175 € aus. Die gemäß § 7g Abs. 3 EStG a.F. gewinnmindernd gebildeten Rücklagen für die zukünftige Anschaffung von Wirtschaftsgütern betrugen 53.378 € (2001) und 10.600 € (2002).

Nachdem die Kläger für das Streitjahr 2003 keine Steuererklärungen abgegeben hatten, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen unter Vorbehalt der Nachprüfung und setzte im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19.05.2005 sowie im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 vom 04.07.2005 u.a. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 22.000 € an. Mit Bescheiden vom 31.07.2006 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

In der Gewinnermittlung des Jahres 2004 gemäß § 4 Abs. 3 EStG, die mit der Steuererklärung 2004 am 04.08.2006 beim Finanzamt eingereicht wurde, waren die Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung im Jahr 2001 eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. gebildet worden war, nicht ausgewiesen.

Bei der Überprüfung des Sachverhalts im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2003 bemerkte das Finanzamt, dass bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des Veranlagungszeitraums 2003 die Folgerungen aus der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage nach § 7g Abs. 4 EStG a.F. nicht gezogen worden waren. Das Finanzamt änderte daraufhin am 17.11.2010 die bisherige Einkommensteuerfestsetzung 2003 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen und erhöhte den bisher geschätzten Gewinn aus Gewerbebetrieb von 22.000 € um die Rücklage von 53.379 € sowie um den Zuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. von 6.405 €. Außerdem erließ es am 17.11.2010 gemäß § 35 Abs. 1 GewStG einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid 2003.

Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2011 führte das Finanzamt sinngemäß aus, die unterlassenen Investitionen der bei der Rücklagenbildung aufgeführten Wirtschaftsgüter stellten eine Tatsache dar, die dem Finanzamt erst durch die mit der Steuererklärung 2004 abgegebene Gewinnermittlung bekannt geworden sei.

Bei tatsächlichen Anschaffungen in Höhe der gebildeten Rücklage könnten Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG a.F. von 20 % der Anschaffungskosten sowie Absetzungen für Abnutzungen nach § 7 Abs. 1 oder 2 EStG von bis zu 20 % der Anschaffungskosten vorgenommen werden. Die Auflösung der Rücklage sei daher bei Investitionen gewinnneutral möglich gewesen. Die steuerliche Auswirkung hinsichtlich der Auflösung der Rücklage sei daher davon abhängig, ob die geplanten Investitionen getätigt worden seien.

Das Finanzamt sei nach Treu und Glauben nicht gehindert gewesen, die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, weil die Kläger für das Streitjahr keine Steuererklärung abgegeben hätten und damit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen seien.

Dagegen haben die Kläger Klage erhoben.

Sie bringen im Wesentlichen vor, für die Änderung der Steuerfestsetzung fehle es an einer neuen Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Durch die Bildung der Ansparrücklage nach § 7g EStG a.F. im Kalenderjahr 2001 sei dem Beklagten die zwangsläufige Auflösung der Rücklage im Kalenderjahr 2003 bekannt gewesen. Gemäß § 7g Abs. 4 EStG a.F. sei die gebildete Rücklage unabhängig davon, ob Investitionen getätigt worden seien oder nicht, im Kalenderjahr 2003 aufzulösen gewesen. Das Kalenderjahr 2004 sei für die Auflösung der Rücklage ohne Bedeutung.

Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen könne die Rücklagenpassivierung nicht nach § 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG buchmäßig verfolgt werden. In vorgegangenen Wirtschaftsjahren gebildete Rücklagen seien daher gewinnerhöhend aufzulösen.

Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 200...

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