Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Überprüfung der Prüfungsanordnung für einen Anschlussprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Weder der AO noch der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen. Dies gilt nicht nur für Großbetriebe, sondern auch für Mittelbetriebe sowie Klein- und Kleinstbetriebe.

2. Anschlussprüfungen sind grundsätzlich zulässig. Weder die AO noch die BpO 2000 schließen weitere Anschlussprüfungen aus.

3. Eine falsche bzw. sehr missverständliche Behauptung einer durchgeführten Außenprüfung durch das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung ersetzt keine durchgeführte Prüfung, wenn tatsächlich keinerlei Prüfungshandlungen stattgefunden haben. Wird in diesem Fall später eine Betriebsprüfung tatsächlich durchgeführt, liegt eine Erstprüfung vor.

 

Normenkette

AO § 193; BpO 2000 § 4 Abs. 3; FGO § 102

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2014 bis 2016.

Der Kläger betreibt seit 01.01.2012 das Restaurant und Hotel X in Stadt 1; er hatte es ab 01.01.2012 von seiner Mutter übernommen.

I.

Das beklagte Finanzamt führte ab Februar 2016 beim Kläger eine Außenprüfung (Prüfungsanordnung vom 19.01.2016) für die Jahre 2012 und 2013 durch. Der zunächst ergangene BP-Bericht vom 09.10.2018 wurde durch einen geänderten BP-Bericht vom 16.07.2019 ersetzt. Der Prüfer erhöhte u.a. die Entnahmen um einen zugeschätzten Gaststättenumsatz von xxx € (2012) und xxx € (2013). Der Gewinn aus Gewerbebetrieb erhöhte sich um xxx € (2012) und xxx € (2013). Streitig waren Schätzungsbefugnis und Höhe der Zuschätzung. Zentraler - und inzwischen einzig verbleibender - Streitpunkt war die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen bei Verwendung der Registrierkasse; das Finanzamt schloss aus vorhandenen Session-Lücken auf die Schätzungsbefugnis. Dies ist Gegenstand des Verfahrens 6 K 1293/20 (im Einzelnen siehe unten IV.)

Das Finanzamt änderte die ergangenen Erstbescheide hinsichtlich Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 2012 und 2013 nach Betriebsprüfung durch Bescheide vom 16.08.2019.

II.

Für die Einkommensteuer 2014 bis 2016, Gewerbesteuermessbetrag 2014 bis 2016 und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 2014 und 2015 hatte das Finanzamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide erlassen, deren Besteuerungsgrundlagen geschätzt waren und gegen die Einspruch eingelegt worden war. Nach Abgabe von Steuererklärungen erließ das Finanzamt am 07.01.2019 geänderte Bescheide für Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 2014 bis 2016; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Hinsichtlich der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 2016 erging ein negativer Feststellungsbescheid.

Zugleich mit den Bescheiden nach Betriebsprüfung für die Jahre 2012 und 2013 erließ das Finanzamt am 16.08.2019 auch für die Jahre 2014 bis 2016 Änderungsbescheide für

  • 2014 Gewerbesteuermessbetrag und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts
  • 2015 Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts
  • 2016 Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag

Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb bei der Einkommensteuer ergaben sich in den Jahren 2014 bis 2016 keine Veränderungen. Die Änderungsbescheide wurden ausgelöst durch den Wegfall des vortragsfähigen Gewerbeverlusts (der sich zuvor bis in das Jahr 2015 ausgewirkt hatte) für die Jahre 2012 und 2013 infolge der Feststellungen der Betriebsprüfung. Die so verminderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 2014 wirkte sich erhöhend auf den Gewerbesteuermessbetrag 2015 aus und verursachte bei der Einkommensteuer 2015 eine Ermäßigung nach § 35 EStG. Der vortragsfähige Gewerbeverlust 2015 wurde auf xxx € festgestellt. Dies hatte eine Erhöhung des Gewerbesteuermessbetrags 2016 zur Folge und löste bei der Einkommensteuer 2016 eine höhere Ermäßigung nach § 35 EStG als zuvor aus.

III.

Gegen die Bescheide vom 16.08.2019 bezüglich Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Feststellung des Gewerbeverlusts 2012 bis 2016 wurde Einspruch eingelegt.

Die Einsprüche blieben erfolglos.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 28.09.2020 wurden nach vorherigem Hinweis auf eine evtl. Verböserung

  • die Einkommensteuerfestsetzungen 2012 bis 2016 erhöht und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Der Vorbehalt der Nachprüfung 2014 bis 2016 blieb bestehen.
  • die Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags 2012 bis 2016 erhöht, der Feststellungsbescheid Gewerbeverlust auf den 31.12.2014 aufgehoben und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Der Vorbehalt der Nachprüfung 2014 bis 2016 blieb best...

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