Entscheidungsstichwort (Thema)

Versteuerung von Zahlungen bei Pflichtteilsverzicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei monatlichen Zahlungen, die aufgrund eines Verzichts auf Pflichtteilsrechte geleistet werden, handelt es sich um eine nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht steuerbare Unterhaltsrente. Es liegen weder eine Versorgungsrente noch Einnahmen aus Kapitalvermögen noch Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG vor.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1 S. 2, Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen VIII R 43/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zahlungen im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht zu versteuern sind.

Die am 13.07.1972 geborene Klägerin erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen. Mit notariellem Vertrag vom 04.02.1994 verzichtete sie auf ihre Pflichtteilsrechte beim Tode ihrer Eltern (geboren am 15.11.1937 bzw. 23.04.1945). Der Verzicht erfasste ausdrücklich nur Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, nicht jedoch das gesetzliche Erbrecht. Als Gegenleistung erhielt sie eine Einmalzahlung von 1 Mio. DM und ab 01.01.1994 auf ihre Lebensdauer eine monatliche Zahlung in Höhe des Grundgehaltes eines bayerischen Beamten der Besoldungsgruppe A 13 in der Endstufe. Es wurde vereinbart, dass die monatliche Zahlung entsprechend der Regelung des § 323 BGB bei Änderungen der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten oder der Bedürftigkeit der Berechtigten anzupassen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag verwiesen.

Mit Bescheid des Finanzamts X vom 24.04.1996 wurden die Einmalzahlung von 1 Mio. DM und der Kapitalwert der lebenslangen, monatlichen Zahlungen in Höhe von 1.026.127 DM der Schenkungsteuer unterworfen.

Die ledige Klägerin reichte am 29.10.1999 bei dem für sie zuständigen Wohnsitzfinanzamt, dem Beklagten, ihre Einkommensteuererklärung für 1996 ein. Sie erklärte im Wesentlichen Einnahmen aus Kapitalvermögen von 33.084 DM. Zu den monatlichen Zahlungen im Zusammenhang mit dem Verzicht auf den Pflichtteil machte sie keine Angaben. Die Veranlagung wurde im Bescheid vom 01.12.1999 erklärungsgemäß durchgeführt. Der Bescheid mit einer Einkommensteuerfestsetzung in Höhe von 1.293DM wurde bestandskräftig.

Im Jahr 2001 erhielt das beklagte Finanzamt Kenntnis von den monatlichen Zahlungen an die Klägerin und von der zugrunde liegenden notariellen Vereinbarung. Im Anschluss an eine betriebsnahe Veranlagung beurteilte das Finanzamt die monatlichen Zahlungen als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG. Es änderte am 27.02.2003 den Einkommensteuerbescheid 1996 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und erfasste die Leibrentenzahlungen 1996 von insgesamt 59.323 DM mit dem Ertragsanteil von 65 % ( = 38.559 DM). Die sonstigen Einkünfte beliefen sich nach Abzug des Werbungskosten - Pauschbetrages auf 38.359DM. Die Einkommensteuer wurde auf 12.823 DM erhöht.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2004 vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass der in den Zahlungen enthaltene Zinsanteil in entsprechender Anwendung des § 22 EStG mit 65 % als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern sei.

Die Klägerin hat Klage erhoben und vorgetragen, dass keine Einkünfte i.S.d. Einkommensteuerrechts vorlägen. Der Verzicht auf den Pflichtteil sei unentgeltlich, d.h. ohne Gegenleistung erfolgt. Diese Rechtsauffassung habe der BFH im Beschluss vom 16.03.2001 IV B 96/00, BFH/NV 2001, 1113 vertreten. Da eine Kapitalüberlassung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht vorliege, könne die Leibrente nicht als Entgelt hierfür angesehen werden. Die Grundsätze des BFH - Urteils vom 20.10.1999 XR 135/92, BStBl II 2000, 82 seien auf den Streitfall nicht übertragbar, da dort der Auszahlungsbetrag festgestanden habe und nur durch die ratenweise Auszahlung über 11 Jahre ein Zinsanteil enthalten gewesen sei. Bei den lebenslänglichen Zahlungen an die Klägerin stehe jedoch ihre Versorgung im Vordergrund. Ebenso sei aus den Ausführungen des BFH-Urteils vom 20.10.1999 X R 86/96, BStBl II 2000, 602 nicht auf einen darlehensähnlichen Vorgang im Streitfall zu schließen, da dort ein Ausgleich zwischen den potentiellen Erben gegen wiederkehrende Leistungen erbracht worden sei. Für das Einkommensteuerrecht sei nicht maßgebend, dass für die schenkungsteuerliche Beurteilung nur der Kapitalwert der Rente besteuert worden sei, da dort das Stichtagsprinzip und nicht das Zuflussprinzip gelte. Die Schenkung eines Rentenstammrechts führe für sich allein noch nicht zu steuerlichen Einkünften; dies gelte jedenfalls dann, wenn keine Gegenleistung gegeben worden sei und deshalb eine Unterhaltsrente vorliege.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägervertreterin weiter vorgetragen, dass die Klägerin versorgungsbedürftig sei. Aufgrund einer Masernerkrankung im ersten Lebensjahr sei die Klägerin seh- und hörbehindert. Daneben leide sie an starken Allergien und an Asthma. Sie habe die Hauptschule besucht, danach aber keine Berufsausbildung abgeschlossen. Sie arbeite nur stun...

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