Entscheidungsstichwort (Thema)

Säumniszuschlag bei Steueranmeldung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - Säumniszuschlag als Masseverbindlichkeit - Aufrechnungsverbot nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Verwirklichung von Ansprüchen auf Säumniszuschläge genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands. Die Finanzbehörde kann daher im gleichen Abrechnungsbescheid sowohl über das Entstehen eines Säumniszuschlags als auch über das Erlöschen des Anspruchs auf den Säumniszuschlag entscheiden.

2. a) Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

2b) Die Anmeldung von Insolvenzforderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirkt aber nicht als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

3. a) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist zwischen dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil, der Masse und möglicherweise dem vom Insolvenzverwalter freigegebenem Vermögen zu unterscheiden. Für diese verschiedenen Unternehmensteile vergibt das Finanzamt im Regelfall unterschiedliche Steuernummern.

3b) Wird die Umsatzsteuer mit der ursprünglichen Steuernummer und nicht mit der Massesteuernummer angemeldet, wird die Umsatzsteuervorauszahlung als Insolvenzforderung und nicht als Masseverbindlichkeit angemeldet.

3c) Lässt die Umsatzsteuervoranmeldung trotz der gebotenen Unterscheidung zwischen vorinsolvenzlichem Unternehmensteil und Masse nicht erkennen, welchen Unternehmensteil sie betreffen soll, ist die Umsatzsteuervoranmeldung mangels Bestimmtheit des Adressaten nichtig.

4. a) Säumniszuschläge auf eine später aufgehobene Steuer sind Masseverbindlichkeiten, wenn die Steuer als Masseverbindlichkeit festgesetzt ist.

4b) Bei Umsatzsteuervorauszahlungen ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Insolvenzverwalter sie unter der Massesteuernummer angemeldet hat und die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

5. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit schliesst eine Aufrechnung nicht aus. Zwar darf wegen des Vorrangs der Verwaltervergütung bei Masseunzulänglichkeit auch ein sog. Neumassegläubiger, der seinen Anspruch gegen die Masse erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erworben hat, nicht gegen nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründete Ansprüche der Masse aufrechnen. Die Rechtswirkungen der Masseunzulänglichkeit entfallen aber, wenn der Insolvenzverwalter später Massezulänglichkeit anzeigt. Soll das Aufrechnungsverbot bei Masseunzulänglichkeit den Vergütungsanspruch des Verwalters schützen, entfällt es seinem Zweck nach jedenfalls, wenn die Vergütung des Verwalters gesichert ist.

 

Normenkette

AO § 168 S. 1, § 226 Abs. 1, § 240 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.09.2019; Aktenzeichen VII R 31/18)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob in einem Insolvenzfall aufgrund später geänderter Umsatzsteuervoranmeldungen des Insolvenzverwalters Säumniszuschläge entstanden sind und ob etwa entstandene Säumniszuschläge mit Guthaben für Besteuerungszeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnet werden durften.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer insolventen GmbH, die ursprünglich unter der Steuernummer xxx/xxx/00001 geführt wurde. Das zuständige Amtsgericht eröffnete am 01.04.xxxx das vorläufige Insolvenzverfahren, bestimmte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der GmbH über ihr Vermögen nur mit Zustimmung des Klägers wirksam sein sollten. Am 01.06.xxxx eröffnete es das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergab das Finanzamt die Steuernummer xxx/xxx/00002 als Insolvenzsteuernummer und die Steuernummer xxx/xxx/00003 als Massesteuernummer. Der Kläger zeigte am 06.06.xxxx Masseunzulänglichkeit, am 31.07.xxxx Massezulänglichkeit an.

Am 05.08.2011 gab der Kläger bei dem Beklagten (dem Finanzamt) für die GmbH eine Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2011 über 50.665,10 € unter der ursprünglichen Steuernummer und eine Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 über 81.188,40 € unter der Massesteuernummer ab. Dabei legte er sein damaliges Verständnis des BFH-Urteils vom 09.12.2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zugrunde. Der Kläger beglich die Steuer zunächst nicht. Am 24.08.2011 buchte das Finanzamt Guthaben der GmbH von 1.298,18 € auf Umsatzsteuer Mai 2011 und am 07.12.2011 Guthaben der GmbH von 383,27 € auf Umsatzsteuer Juni 2011 um.

Für Mai 2011 gab der Kläger am 02.05.2012 eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung über 132.744,73 € ab, die er nicht beglich, am 06.06.2012 eine weitere berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung über 1.298,27 €. Beide Voranmeldungen trugen die ursprüngliche Steuernummer. Unter dem 29.06.2012 setzte das Finanzamt unter der Massesteuernummer eine Umsatzsteuervorauszahlung für Mai 2011 in Höhe von 1.298,00 € fest. Für Juni 2011 gab der Kläger am 02.05.2012 eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung über 349,18 € un...

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