rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Gewährung eines Haushaltsfreibetrages für Eltern mit Kind im Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2002

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob die befristete Weitergeltung des § 32 Abs. 7 EStG einen Verstoß gegen das spezielle Gleichheitsrecht des Art. 6 GG begründet oder ob die zur Begründung angeführte sozialverträgliche Abschmelzung als Rechtfertigungsgrund ausreicht, kann im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Ablehnungsbescheides über die Eintragung eines Haushaltsfreibetrages auf der Lohnsteuerkarte dahingestellt bleiben.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6-7; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die verheirateten Antragsteller sind unbeschränkt steuerpflichtig, werden zusammen veranlagt und sind Eltern eines 1999 geborenen Kindes, mit dem sie zusammen in häuslicher Gemeinschaft leben und für das sie den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG bzw. Kindergeld erhalten.

Die Antragsteller beantragten, auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers zu 1 einen weiteren Freibetrag in Höhe von 2.871 ı (5.616 DM) in entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG als Haushaltsfreibetrag einzutragen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, BStBl II 1999, 182 bestehe aufgrund der verfassungswidrigen Weitergeltung des § 32 Abs. 7 EStG keine Besteuerungsgrundlage in Höhe des früheren Haushaltsfreibetrages.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag ab. Die Antragsteller stellten den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO. Der Bescheid über die Ablehnung der Eintragung eines Haushaltsfreibetrages auf der Lohnsteuerkarte sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2, Art. 3, Art. 6 und Art. 12 des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich entschieden, dass die Regelung des § 32 Abs. 7 EStG in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung verheiratete Eltern benachteilige und daher ab 1. 1. 2002 verfassungswidrig sei. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes seien so ernsthaft, dass den Antragstellern einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren sie. Überzeugende Gründe für die Beibehaltung der Norm könne der Gesetzgeber nicht geltend machen, da auch haushaltsrechtliche Gründe dieser Begünstigungsnorm nicht angeführt werden können.

 

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist nicht begründet, weil den Antragstellern kein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zukommt.

  1. Vorläufiger Rechtsschutz im Lohnsteuerermäßigungsverfahren

    Der Antrag ist zulässig. Der Ablehnungsbescheid des Antragsgegners ist ein vollziehbarer Verwaltungsakt i. S. d. § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 S. 2 bis 6 FGO. Vorläufiger Rechtsschutz kann im Lohnsteuerermäßigungsverfahren im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt werden, wenn die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte im vollen Umfang abgelehnt worden ist. Dies gilt auch, wenn der Antragsteller verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht (BFH-Beschluss vom 29. 4. 1992 VI B 152/91, BStBl II 1992, 752). Der Antrag kann schon vor Einlegung der Klage gestellt werden (§ 69 ABs. 3 S. 2 FGO).

  2. Aussetzung aufgrund behaupteter Verfassungswidrigkeit der Norm setzt zusätzlich ein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus ...

    Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Aussetzung soll u.a. dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO. Solche ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO können zwar auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm begründen (BFH-Beschluss vom 5. 3. 2001 IX B 90/2000, BStBl II 2001, 405). Wenn sich aber die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Norm ergeben sollen, ist zusätzlich ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich (BFH-Beschluss vom 17. 3. 1994, VI B 154/93, BStBl II 1994, 567).

    ... auch wenn der BFH jüngst Zweifel geäußert hat.

    Der Senat hält an diesem Erfordernis des berechtigten Interesses fest und sieht dies nur dann als gegeben an, wenn der Antragsteller bei einer Vollziehung des Verwaltungsaktes schwere Nachteile zu erwarten hat. Zwar hat der BFH in einer jüngeren Entscheidung Zweifel an der Berechtigung dieses Grundsatzes geäußert (BFH-Beschluss vom 5. 3. 2001, IX B 90/00, BStBl II 2001, 405, Tz. 3). Nach Ansicht des Senats kann aber ein formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz grundsätzlich nur im dafür vorgesehenen Verfahren, d. h. durch Entscheidung des Verfassungsgerichts, verworfen werden.

    Auch eine einstweilige Anordnung in Streitsachen vor dem Verfassungsgericht ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, § 32 Abs. 1 BVerfGG. Dieser Grundsatz kann im vorliegenden Streitfall nutzbar gemacht wer...

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