Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungskette; Rabattgewährung und Frage der Minderung der Bemessungsgrundlage

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebots ist die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für Lieferketten auf reine Inlandssachverhalte zu beschränken und eine Änderung der Bemessungsgrundlage beim Hersteller dann zu versagen, wenn die Leistung an den von der Rabattgewährung wirtschaftlich Begünstigten aufgrund einer an ihn ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung steuerfrei erfolgt.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gewährung eines Rabattes an einen in der Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer auch dann zur Minderung der Bemessungsgrundlage des Umsatzes an den direkten Abnehmer (= mittlerer Unternehmer) führt, wenn zwar die Lieferung an den direkten Abnehmer, nicht aber die Lieferung des mittleren Unternehmers an den begünstigten Abnehmer (Rabattempfänger) im Inland steuerpflichtig ist.

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, produziert und liefert Beschlagtechnik für Fenster und Türen sowie Motorik und Sensorik zur Automatisierung von Lüftungs- und Gebäudetechnik.

Die Klägerin führte im Streitjahr 2011 steuerpflichtige Lieferungen an die Firma W GmbH (im Folgenden: W GmbH) aus. Die W GmbH wiederum verkaufte die Waren als Zwischenhändler an die Firmengruppe I in Frankreich weiter (umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen). Die Klägerin gewährte den Firmen M … (Frankreich) und Q der I Gruppe (im Folgenden: Verarbeiter) Rückvergütungen für getätigte Umsätze (Gutschriften mit USt-Ausweis) in Höhe von insgesamt 517.424,84 € brutto (Bl. 28 ff. der Akte USt-Sonderprüfung 2011) und beantragte, die ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 82.614,05 € als Vorsteuer abzuziehen. Die Klägerin versandte die Liefergegenstände von ihrem Betriebsgelände in Z in der Regel in die Lager der W GmbH in Deutschland. In Ausnahmefällen versandte die Klägerin die Liefergegenstände im Auftrag der W GmbH direkt zu den Verarbeitern nach Frankreich. Nachweise gemäß §§ 17a ff. UStDV über diese Versendungen liegen nicht vor.

Nachdem die Klägerin erkannt hatte, dass ihr kein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften zustand, versuchte sie, eine Korrektur der Gutschriften gegenüber den Verarbeitern zu erreichen. Nur in zwei Fällen ließen sich die Verarbeiter jedoch auf eine Belegkorrektur ein. Die Klägerin erteilte in diesen Fällen neue kaufmännische Gutschriften ohne Umsatzsteuerausweis und die Verarbeiter gewährten die ursprünglich ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 2.873,73 € im Jahr 2013 an die Klägerin zurück. Die Klägerin berichtigte in Höhe des korrigierten Umsatzsteuerbetrags die geltend gemachten Vorsteuern in ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 und zahlte die Vorsteuern an den Beklagten zurück.

Mit Schreiben vom 23.08.2016 informierte die Klägerin den Beklagten darüber, dass die erfolgte Vorsteuerkorrektur in Höhe von 2.873,73 € für den Besteuerungszeitraum 2011 hätte erfolgen müssen. Korrespondierend hierzu seien die abzugsfähigen Vorsteuern im Besteuerungszeitraum 2013 wieder zu erhöhen (Bl. 133 ff. der Gerichtsakte).

Nach Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung versagte der Beklagte den Vorsteuerabzug mit USt-Bescheid vom 11.02.2015 (Bl. 1 ff. Rechtsbehelfsakte) und erhöhte die festgesetzte Umsatzsteuer um 79.740,32 € (82.614,05 € – 2.873,73 €). Hiergegen legte die Klägerin am 17.02.2015 Einspruch ein (Bl. 3 der Rechtsbehelfsakte). Zur Begründung trug sie vor, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer aufgrund der gewährten Herstellerrabatte zu mindern sei (Bl. 9 f. der Rechtsbehelfsakte).

Mit Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück (Bl. 26 ff. der Rechtsbehelfsakte). Eine Minderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG scheide nach Abschn. 17.2. Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 UStAE aus, weil die Lieferung der W GmbH an den Abnehmer, die Firma I, als innergemeinschaftliche Lieferung im Inland nicht steuerpflichtig sei. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG knüpfe nach dem Wortlaut und der Gesetzessystematik nicht nur an die in § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG geregelten Fälle an, sondern auch an die in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Bedingung, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat. Die Vorschrift gleiche mit der Vorsteuerkorrektur beim wirtschaftlich begünstigten Unternehmer den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geminderten Steuerbetrag aus. Dies entspreche der Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 1 Satz 4, UStG wonach sichergestellt werden sollte, dass für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, die Umsatzsteuer neutral ist.

Mit ihrer am 04.08.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sei eröffnet,...

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