Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.03.1999; Aktenzeichen VI R 58/97)

BFH (Beschluss vom 22.03.1999; Aktenzeichen VI R 58/97)

BFH (Beschluss vom 26.05.1998; Aktenzeichen VI R 58/97)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Verfahrenskosten werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Vorschrift des § 73 des Einkommensteuergesetzes in der ab 1.1.1996 geltenden Fassung (EStG 1996) insoweit verfassungsgemäß ist, als sie den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, seinen anspruchsberechtigten Arbeitnehmern das staatliche Kindergeld auszuzahlen.

Die Klägerin (Klin.), die ein metallverarbeitendes Unternehmen betreibt, beschäftigt zur Zeit ca. 1.020 Arbeitnehmer, davon ca. 186 Kindergeldberechtigte. Die Voraussetzungen des § 3 Sätze 1 und 2 der Kindergeldauszahlungs-Verordnung (KAV) vom 10.11.1995 (BGBl. I 1995, S. 1510) für die Befreiung des Arbeitgebers von seiner Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes an seine Arbeitnehmer liegen bei ihr nicht vor, d.h. sie beschäftigt nicht auf Dauer nur bis zu 50 Arbeitnehmer, die eine Lohnsteuerkarte vorzulegen haben, und in ihren Lohnsteueranmeldungen ergibt sich auf Grund der Auszahlung des Kindergeldes an ihre Arbeitnehmer auch nicht auf Dauer ein Erstattungsbetrag.

Am 19.3.1996 beantragte die Klin. unter Hinweis auf § 3 KAV bei dem Beklagten (Bekl.), sie von der Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes zu befreien (Schreiben vom 18.3.1996). Der Bekl. lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 19.3.1996). Hiergegen hat die Klin. nach Durchführung eines erfolglosen Einspruchsverfahrens (vgl. Einspruchsentscheidung – EE – vom 27.3.1996) am 26.4.1996 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie geltend macht:

Sie sei nicht verpflichtet, ihren Arbeitnehmern Kindergeld auszuzahlen. Die Vorschrift des § 73 EStG 1996, die ihr diese Pflicht aufbürde, sei verfassungswidrig. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Indienstnahme Privater lägen nicht vor. Die Vorschrift verstoße sowohl gegen das durch Art. 12 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit als auch gegen den durch Art. 3 Abs. 1 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatz. Eine berufseinschränkende Regelung, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Berufsausübung stehe, verstoße zwangsläufig gegen Art. 12 GG. Das treffe auf die genannte Vorschrift über die Kindergeldauszahlung durch den Arbeitgeber zu. Hierbei handele es sich wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen um eine mittelbar die Berufsausübung des Arbeitgebers beeinträchtigende Regelung, die zu dieser keinen sachlichen Bezug aufweise. Der Arbeitgeber sei schon durch die bloße Verpflichtung zur Abführung des Kindergeldes im Rahmen von Lohnauszahlungen in seiner Berufsausübung betroffen. Dazu kämen die sich durch die Umstellung und die laufende Abwicklung für ihn ergebenden Mehrkosten, die sich nach Untersuchungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) … für Arbeitgeber mit 5.000 Beschäftigten auf einmalig 30.000 DM und jährlich 120.000 DM und für Arbeitgeber mit 500 Arbeitnehmern auf einmalig 6.000 DM und jährlich 20.000 DM beliefen. Sie – die Klin. – habe einmalige Kosten für die Umstellung ihres EDV-Systems von 5.000 DM tragen müssen; ihre laufenden Kosten für die Aufzeichung, Bearbeitung und Aufbewahrung der Unterlagen betrügen zur Zeit 2.500 DM jährlich. Daß die Auszahlung des Kindergeldes an Arbeitnehmer in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Berufsausübung des Arbeitgebers stehe, werde schon daran deutlich, daß nicht nur lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer, sondern auch andere Personen einen Anspruch auf Kindergeld hätten. Es ergebe sich weiter daraus, daß die Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes nicht alle Arbeitgeber, sondern nur einen Bruchteil von ihnen treffe, nämlich 32 %. Die genannte Regelung verstoße auch deshalb gegen Art. 12 GG, weil sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks weder geeignet noch erforderlich sei. Soweit der Gesetzgeber mit der Einschaltung eines Teils der Arbeitgeber in die Auszahlung des Kindergeldes ausschließlich den Zweck verfolge, die staatliche Verwaltung zu entlasten, sei das verfassungsrechtlich unzulässig. Grundsätzlich stelle die Auszahlung des Kindergeldes, bei der es sich um eine auf sozialen und familienpolitischen Gründen beruhende staatliche Leistung handele, eine staatliche Aufgabe dar. Denn nach Verfassungsrecht habe der, Staat für den Vollzug seiner Leistungsgesetze selbst zu sorgen, wobei er auch die dazu erforderlichen Mittel bereitstellen müsse. Darüber hinaus werde die staatliche Verwaltung in Form der Kindergeldkasse durch die Einschaltung eines Teils der Arbeitgeber in Wirklichkeit gar nicht entlastet, da die Kindergeldkasse trotzdem jeden Vorgang individuell prüfen müsse. Die Arbeitgeber besäßen die für die Auszahlung des Kindergeldes notwendigen Informationen nicht. Das weitere vom Gesetzgeber mit der angeordneten Verrechnung von Lohnsteuer und Kindergeld verfolgte Ziel, die...

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