Entscheidungsstichwort (Thema)

Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz einer anfechtbaren Rechtshandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes einer anfechtbaren Rechtshandlung i.S. des § 133 Abs. 1 Satz 1 AO reicht es aus, wenn der Anfechtungsgegner um die Rechtshandlung und den Benachteiligungsvorsatz im Allgemeinen gewusst hat.

2) Eine Kenntnis der Einzelheiten ist ebenso wenig erforderlich, wie ein eigener Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.

3) Die Kenntnis muss im Zeitpunkt der anzufechtenden Rechtshandlung vorliegen.

4) Im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs ist dem Anfechtungsgegner wegen des gleichwertigen Leistungsaustauschs trotz Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Rechtshandlung nicht bewusst.

 

Normenkette

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 129; AO § 226; InsO § 140; AO § 218 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.06.2023; Aktenzeichen VII R 22/19)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen des Herrn E 1 am 00.00.2012 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Schuldner, Herr E 1, war zunächst Geschäftsführer und Gesellschafter der E GmbH (gegründet zum 00.00.1996). Der Geschäftsbetrieb der GmbH ruhte nach den Angaben des Schuldners seit dem 00.00.2005. Fortan war er als eingetragener Kaufmann im Bereich des Betriebes eines land- und forstwirtschaftlichen Unternehmens … tätig „…”).

Bereits seit dem Jahr 2005 hat der Schuldner für sein Einzelgewerbe keine Steuererklärungen mehr abgegeben. Die Besteuerungsgrundlagen wurden seitdem gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) geschätzt. Die letzte Bilanz des Einzelunternehmens datiert auf den 00.00.2008. Dort ist ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von X € ausgewiesen (Bl. 22 ff. zu Az. 00 IN 00/12). Zur Aufrechterhaltung des Betriebes hat die Ehefrau des Schuldners, Frau E 2, diesem aus ihrem Privatvermögen erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt.

Aufgrund einer bei dem Einzelunternehmen des Schuldners im Jahre 2007 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung durch den Beklagten setzten dieser und – infolgedessen – auch die Deutsche Rentenversicherung erhebliche Nachforderungen gegenüber der GmbH und dem Schuldner fest. Die in diesem Zusammenhang von der Deutschen Rentenversicherung durchgeführte Betriebsprüfung ergab laut Bescheid vom 17.09.2009 eine Nachforderung gegenüber dem Schuldner i.H.v. insgesamt X € (incl. Säumniszuschlägen i.H.v. X € (Anlage K 25, Bl. 199 GA)).

Infolge dieser Prüfung wurde im Jahr 2009 gegen den Schuldner und seine Ehefrau ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches mit Bericht vom 18.09.2009 beendet wurde. Aufgrund der daraus resultierenden Nachforderungen arrestierte das Amtsgericht U auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 15.10.2007 Steuererstattungsansprüche des Schuldners gegen den Beklagten in Höhe von zunächst X €. Die Arrestsumme wurde mit Beschluss aus Januar 2009 auf X € erhöht und mit Beschluss vom 26.01.2010 auf zuletzt X € reduziert.

In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft und dem Beklagten erfolgte im Zeitraum von Oktober 2007 bis Juli 2011 die Begleichung der bei der Staatsanwaltschaft vom Beklagten und den Sozialversicherungsträgern angemeldeten Forderungen mit den arrestierten Umsatzsteuererstattungsansprüchen.

Während der Abwicklung des Arrestbeschlusses erließ der Beklagte gegenüber dem Schuldner am 30.10.2008 erstmals eine Vollstreckungsankündigung über einen Betrag in Höhe von X €. Die Forderungen resultierten insbesondere aus offener Lohnsteuer für August und September 2009.

Der damalige Steuerberater des Schuldners bat mit Schreiben vom 06.11.2008 um Stundung der geltend gemachten Forderung und führte u.a. aus, dass der Schuldner durch die Dauer des Verfahrens mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, da ihm die Mittel aufgrund der Arrestierung entzogen worden seien.

Der Beklagte lehnte die Stundung mit Schreiben vom 10.11.2008 ab und pfändete mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.11.2008 u.a. zwei Geschäftskonten des Schuldners wegen eines offenen Betrages von X €. Nachdem der Beklagte eine Verrechnung mit Erstattungsansprüchen vorgenommen hatte, verblieb ein pfändbarer Betrag in Höhe von X €, der schließlich von einem Drittschuldner gezahlt wurde. Der Beklage hob daraufhin die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit Verfügung vom 01.12.2008 auf.

Am 27.02.2009 wandte sich der Steuerberater des Schuldners erneut an den Beklagten und erklärte u.a., dass nach der Verrechnung vorhandener Umsatzsteuerguthaben mit einem bisherigen Pfändungsbetrag in Höhe von X € offene Beträge nicht mehr vorhanden seien. Für den Monat Januar 2009 sei nach einer berichtigten Erklärung ein Guthaben in Höhe von X € entstanden, das umgehend an die Firma auszuzahlen sei. Unabhängig von der Voranmeldung sei der Pfändungsbetrag bereits mit X € überzogen, so dass es auch insoweit zu ...

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