Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Neufestsetzung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 70 Abs. 3 EStG gilt nicht bei zuvor ergangenem Ablehnungs- oder Null-Bescheid, also für einen erneuten Antrag auf Kindergeld-Festsetzung zu Gunsten des Steuerpflichtigen.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 3, 3 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist. ob dem Kläger (Kl.) für seinen Sohn Kindergeld für die Zeit vom 01 Dezember 1997 bis 30. September 1998 zusteht.

Der am 08. November 1976 geborene, schwerbehinderte Sohn des Kl. ist dauerhaft im … untergebracht und erhält vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe Eingliederungshilfe. Bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im November 1997 wurden die Eltern des Kindes, nämlich der Kl. und seine Ehefrau, zu einem Kostenbeitrag für die Unterbringung herangezogen.

Mit Bescheid vom 06. November 1997 setzte die Beklagte (Bekl.) für die Zeit ab 01. Dezember 1997 das dem Kl. bis dahin gewährte Kindergeld auf 0 DM mit der Begründung fest, sein Sohn sei aufgrund der gewährten Eingliederungshilfe im Stande, sich selbst zu unterhalten. Gegen diesen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid unternahm der Kl. zunächst nichts.

Am 27. April 1998 stellte der Kl. einen erneuten Antrag auf Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn.

Daraufhin erließ die Bekl. unter dem 07. September 1998 eine Einspruchsentscheidung, auf die verwiesen wird. Der am 27. April 1998 vom Kl. gestellte, erneute Kindergeldantrag wurde als Einspruch gegen den Bescheid vom 06. November 1997 gewertet und, da er verspätet erhoben worden sei, als unzulässig verworfen.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren auf erneute Kindergeldgewährung weiter. Er ist der Auffassung, die Bekl. habe den erneuten Kindergeldantrag nicht als Einspruch werten und diesen dann nicht als unzulässig zurückweisen dürfen. Jedenfalls hätte die Bekl. über den erneuten Antrag neu entscheiden müssen.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BFHE 189, 449, BStBl. II 2000, 75, entschieden hatte, daß ein volljähriges behindertes Kind regelmäßig auch dann i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten, wenn es im Rahmen der Eingliederungshilfe vollstationär untergebracht sei, erließ die Bekl. unter dem 19. April 2000 einen Bescheid, mit dem der Bescheid vom 07. November 1997 mit der Maßgabe aufgehoben wurde, daß dem Kl. für seinen Sohn ab 01. Oktober 1998 Kindergeld gewährt wurde.

Der Kl. hat diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 03. Mai 2000 (sinngemäß) zum Gegenstand des Klageverfahrens erklärt. Er ist der Auffassung, ihm stehe Kindergeld nicht erst ab 01. Oktober 1998, sondern auch für die Zeit vom 01. Dezember 1997 bis zum 30. September 1998 zu. Die Bekl. habe unter Verkennung der Verfahrensvorschriften grob fahrlässig das Recht falsch angewandt.

Der Kl. beantragt,

  • unter Änderung des Bescheides vom 19. April 2000 die Bekl. zu verpflichten, ihm, dem Kl., Kindergeld für seinen Sohn in Höhe von monatlich 220 DM auch für die Zeit vom 01. Dezember 1997 bis 30. September 1998 zu gewähren.
  • hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Bekl. beantragt,

  • die Klage abzuweisen,
  • hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie trägt vor: Gemäß § 70 Abs. 3 EStG sei die Änderung einer Nullfestsetzung nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit möglich. Die Neufestsetzung des Kindergeldes sei von dem auf die Bekanntgabe der Neufestsetzung folgenden Monat an zu gewähren. Das Kindergeld könne deshalb dem Kl. nicht bereits ab Dezember 1997 gewährt werden. Es hätte vielmehr erst ab 01. Mai 2000 gewährt werden dürfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kl. steht Kindergeld für seinen Sohn in Höhe von monatlich 220 DM auch für die Zeit vom 01. Dezember 1997 bis 30. September 1998 zu. Die Bekl. ist daher unter Änderung des angefochtenen Bescheides vom 19. April 2000 zu verpflichten, dem Kl. auch für diesen Zeitraum Kindergeld zu gewähren (§ 101 der Finanzgerichtsordnung – FGO –)

Materiell liegen die Voraussetzungen gem. §§ 62 ff EStG für die Gewährung von Kindergeld für den streitigen Zeitraum vor, worüber unter den Beteiligten auch kein Streit besteht. Der Sohn des Kl. war während des hier streitigen Zeitraums insbesondere nicht im Stande, sich selbst zu unterhalten, so daß der Kindergeldgewährung nicht § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG entgegensteht. Die Bekl. hat in ihrem Bescheid vom 19.04.2000 unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BFH vom 15.10.1999 VI R 40/98, a. a. O., festgestellt, daß die dem Kind des Kl. zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel den zugrunde zu legenden Bedarf nicht abdecken. Diese Feststellungen gelten auch für den hier streitigen Zeitraum vom 01. Dezember 1997 bis 30. September 1998, was sich aus den Mitteilungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ergibt, die die Bekl. bei den Berechnungen in ihrem Bescheid vom 19.04.2000 zugrundegelegt hat.

Entgegen der Auffassung der Bekl. ist das Kinderge...

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