Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Antrags auf schlichte Änderung nach Ergehen der Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

Tatsachen und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden worden ist, können im Regelfall nicht in einem Änderungsverfahren nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a, S. 2 und 3 AO erneut geprüft werden. Die Vorschrift ist nicht dahin zu verstehen, dass der Stpfl. mit einem schlichten Änderungsantrag nach Ergehen der Einspruchsentscheidung eine nochmalige sachliche Überprüfung der bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumente verlangen kann.

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, Sätze 2-3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte einen nach der Einspruchsentscheidung innerhalb der Klagefrist gestellten Antrag auf schlichte Änderung zu Recht abgelehnt hat.

Die Klägerin ist eine GmbH. Der Unternehmensgegenstand erstreckt sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Spezialschrauben für die Auto- und Elektroindustrie und auf die Funktion als Holding- und Führungsgesellschaft.

Im Jahr 2008 beschloss die Klägerin den Verkauf einer der Tochtergesellschaften, der T GmbH & Co KG (T), nebst ihrer Komplementärin, der T Verwaltungs-GmbH. Die Klägerin hielt jeweils 100 % der Anteile an der KG sowie der Verwaltungs-GmbH. Mit Vertrag vom 27.2.2009 verkaufte die Klägerin ihre Kommanditanteile sowie die Beteiligung an der GmbH (jeweils 100%) mit Wirkung zum 1.1.2009 für insgesamt 1,5 Mio. EUR an drei Erwerber. Umsatzsteuer wurde nicht in Rechnung gestellt. Anschließend übertrug die Klägerin ihre Anteile auf die Erwerber.

Im Zusammenhang mit dem Verkauf nahm die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Beratungsleistungen in Anspruch. Aus den Rechnungen brachte sie die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer in Höhe von 7.044,32 EUR (2008) und 64.138,30 EUR (2009) in Abzug.

Nach einer Großbetriebsprüfung, bei der u.a. die Kaufverträge geprüft wurden, erließ der Beklagte am 1.3.2013 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 (Bl. 4 brauner Hefter) und 2009 (Bl. 7 brauner Hefter), mit denen der Vorsteuerabzug aus den Beratungsleistungen versagt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Die Klägerin legte gegen diese Bescheide am 8.3.2013 Einspruch ein (Bl. 10 brauner Hefter). Zur Begründung führte sie an:

Es liege eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1 a UStG vor. Die mit dieser Geschäftsveräußerung im Ganzen im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge seien somit nach § 15 Abs. 1 UStG absetzbar; der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG greife nicht ein, da ein nicht steuerbarer Sachverhalt vorliege und keine nach § 4 Nr. 8 f) UStG steuerfreie Anteilsveräußerung. Die Klägerin nahm Bezug auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 29.10.2009 C-29/08, SKF, BFH/NV 2009, 2099; BFH, Urteil vom 27.1.2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68).

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 4.2.2014 als unbegründet zurück (Bl. 18 brauner Hefter) und verwies auf ein BMF-Schreiben vom 11.12.2013 (IV D 2/S 7100-b/13/10001, IV D 2-S 7100-b/11/10001, 2013/1145204). Die bloße Veräußerung von Kommanditanteilen an der T sowie die Beteiligung an der Verwaltungs-GmbH führe nicht zu einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, da es an der gleichzeitigen Übertragung von Vermögenswerten als Teil einer wirtschaftlichen Einheit fehle, um den Erwerber in die Lage zu versetzen, als Rechtsnachfolger der veräußernden Einspruchsführerin diese Tätigkeit fortzuführen. Im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der T zum unternehmerischen Bereich der Einspruchsführerin sei die Veräußerung im Rahmen ihres Unternehmens erfolgt. Da es sich hierbei um einen nach § 4 Nr. 8 f UStG steuerfreien Umsatz handelte, sei ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen, die mit der Veräußerung im unmittelbaren Zusammenhang stehen, nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 24.2.2014 (Bl. 24 brauner Hefter) stellte die Klägerin einen Antrag gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a i.V.m. S. 2 und S. 3 AO auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 2008 und 2009.

Zur Begründung führte sie an, dass sie ein in der Unternehmensgruppe selbständig und eigenverantwortlich operierendes Unternehmen verkauft habe. Im Zusammenhang mit der Veräußerung seien nicht nur lediglich Kommanditanteile verkauft worden, sondern ein eigenständiger Betrieb mit allen dazugehörenden Vermögenswerten. Insbesondere seien auch alle bilanziellen Aktiva und Passiva, Vertragsverhältnisse sowie Kunden- und Lieferantenbeziehungen, die ein lebendes Unternehmen ausmachen, verkauft worden. Insofern seien die Anforderungen des BMF-Schreibens vom 11.12.2013 erfüllt und eine selbständige wirtschaftliche Einheit übertragen, die den Erwerber in die Lage versetzt, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen.

Diesen Antrag lehnte der Beklagten mit Besc...

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