Entscheidungsstichwort (Thema)

Wissenszurechnung bei Kontovollmacht und Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Verschließt der Ehepartner bewusst davor die Augen, dass der andere Ehepartner sein Konto bei Kunden für deren Zahlungen angibt, muss er sich die Kenntnis des Ehepartners (Gläubigerbenachteiligungsabsicht nach § 3 Abs. 1 AnfG) gemäß § 166 BGB zurechnen lassen.

2) Die Höhe der Säumniszuschläge von 12% ist verfassungsgemäß.

3) Die gegen die Höhe der Zinsen gemäß § 238 AO (6%) erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen.

 

Normenkette

AnfG §§ 2, 3 Abs. 1; BGB § 166 Abs. 1; AO §§ 238, 240, 191 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2022; Aktenzeichen VII R 21/21)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin im Wege eines Duldungsbescheides in Anspruch genommen werden konnte.

Die Klägerin ist mit Herrn R. H. verheiratet. Die Eheleute haben vier Kinder, wobei das jüngste Kind im Jahr 2001 geboren wurde. Die Klägerin ist als …. in F-Stadt nichtselbständig tätig. Ihr Ehemann R. H. ist gelernter X-Mechaniker. Er ging verschiedenen selbständigen und nichtselbständigen Tätigkeiten nach. Aus seinen selbständigen Tätigkeiten resultierten Steuerschulden, die seit dem Jahr 1999 zu Vollstreckungsmaßnahmen führten.

Die Klägerin führte ihr Gehaltskonto zunächst bei der T-Bank. Am 04.06.2010 eröffnete sie ein Girokonto bei der R-Bank (IBAN: DExxx) und nutzte dieses als Gehaltskonto. Im Eröffnungsantrag gab sie an, dass weitere Personen nicht bevollmächtigt sein sollten (Bl. 40 der Strafakte). In dem Antragsformular findet sich der Hinweis, dass die Klägerin eine R-Bank Card erhält und sie am R-Bank Online-Banking mit PIN und TAN teilnimmt. Ein gutes halbes Jahr später (am 21.01.2011) erteilte die Klägerin ihrem Ehemann eine Vollmacht über das Konto und beantragte für ihn die Ausgabe einer R-Bank Card (Bl. 43 der Strafakte).

Im Mai 2011 pfändete der Beklagte die Ansprüche des Ehemannes aus der Geschäftsbeziehung mit der D-Bank. Im Juni 2011 gab der Ehemann eine eidesstattliche Versicherung ab (Bl. 50 f. der Strafakte).

Im Juni 2011 eröffnete die Klägerin erneut ein Konto bei der T-Bank (IBAN: DEyyy, vgl. Bl. 90 ff. der Strafakte) und nutze dieses nunmehr als ihr Gehaltskonto.

Wegen der gemeinsamen Einkommensteuerschulden kam es im Jahr 2012 zu Lohnpfändungen bei der Klägerin (Bl. 50 der Strafakte). Zudem erstellte der Beklagte im August 2012 einen Liquiditätsprüfungsbericht für die Klägerin (Bl. 48 ff. der Strafakte).

Ihr Ehemann meldete sein Gewerbe („Profiservice rund ums Haus”) im Oktober 2012 beim Gewerbeamt ab (Bl. 6 der Strafakte, Bl. 20 der Duldungsakte). Am xx.07.2013 meldete er sich mit dem Benutzernamen „RHxx” auf dem Internetportal „www.x-Arbeit.de” an (vgl. Beweismittelordner sowie Bl. 20 der Duldungsakte).

Im September 2016 betrugen die Steuerschulden des Ehemannes 42.721,31 EUR. In dem Betrag waren Säumniszuschläge in Höhe von 9.848,50 EUR enthalten (Rückstandsaufstellung vom 26.09.2016, Bl. 12 der Duldungsakte). Wegen dieser Steuerschulden führte der Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen bei dem Ehemann durch. So erteilte der Beklagte dem Vollziehungsbeamten am 23.06.2016 einen Vollstreckungsauftrag (Bl. 119 der Gerichtsakte). Nachdem dieser den Ehemann in seiner Wohnung nicht angetroffen hatte, hinterließ er eine Zahlungsaufforderung vom 24.06.2016 (Bl. 120 der Gerichtsakte). Zudem ließ der Beklagte im August und Oktober 2016 Konten des Ehemannes bei der T-Bank und bei der D-Bank pfänden. Nach den Drittschuldnererklärungen lagen sowohl bei der T-Bank (Guthaben 117,53 EUR) als auch bei der D-Bank (Guthaben von 28,57 EUR) vorrangige Pfändungen vor (Bl. 128 ff der Gerichtsakte). Im Rahmen einer Aktenauswertung vom 23.06.2016 konnten weitere Vermögenswerte nicht gefunden werden (Bl. 137 der Gerichtsakte). Nachdem der Ehemann eine nichtselbständige Tätigkeit aufgenommen hatte, erfolgte am 17.05.2017 eine Lohnpfändung (in Höhe von 81,28 EUR für Juni und Juli 2017, in Höhe von 39,19 EUR für August 2017 bis Januar 2018 und in Höhe von 46,34 EUR ab Februar 2018, vgl. Bl. 114 der Gerichtsakte).

Am 14.09.2016 gab der Ehemann eine Vermögensauskunft ab. Er erklärte, dass sein Konto bei der D-Bank gepfändet sei. Er nutze das Konto der Klägerin bei der T-Bank (Bl. 14 ff. der Duldungsakte).

Im Rahmen eines Kontenabrufverfahrens erfuhr der Beklagte, dass der Ehemann Verfügungsberechtigter des Kontos der Klägerin bei der R-Bank (DExxx) ist (Bl. 28 der Duldungsakte). Auf der Grundlage eines Auskunftsersuchens stellte die R-Bank dem Beklagten die Kontoauszüge für den Zeitraum von August 2011 bis März 2017 zur Verfügung (Bl. 31 der Duldungsakte sowie Beweismittelordner). Wegen der Einzelheiten wird auf die Kontoauszüge Bezug genommen.

Aus den Kontoauszügen ergab sich, dass auf dem Konto (DExxx) ab dem 11.04.2012 Überweisungen mit dem Betreff „Service R. H.” in Höhe von insgesamt 29.144,08 EUR (2012), 9.338,72 EUR (2013), 7.519,67 EUR (2014), 18.839,17 EUR (2015) u...

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