Entscheidungsstichwort (Thema)

Erschütterung des für die Privatnutzung eines betrieblichen PKW sprechenden Anscheinsbeweises. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 34/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Anscheinsbeweis der privaten Nutzung eines dienstlichen Fahrzeugs (PKW Ford Ranger) ist nicht alleine dadurch erschüttert, dass dem Stpfl. ein weiteres Dienstfahrzeug (PKW BMW X3), für das die 1%-Regelung angewendet wird, für Privatfahrten zur Verfügung steht.

2) Der Anscheinsbeweis ist indes dann erschüttert, wenn der Stpfl. glaubhaft darlegt, dass er und seine Familie den PKW Ford Ranger bereits aufgrund dessen Größe nicht privat nutzen, der PKW Ford Ranger arbeitstäglich als Zugmaschine und als Fahrzeug für Mitarbeiter im Einsatz ist, der Stpfl. die gewerbliche Tätigkeit nur neben einer in Vollzeit ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit ausübt, für den Stpfl. und dessen Ehefrau für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kein PKW erforderlich ist, die Werbefolie auf dem PKW nicht jederzeit entfernbar ist und das FA eine tatsächliche private Nutzung des PKW Ford Ranger nicht belegen kann.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der im Betriebsvermögen bilanzierte PKW Ford Ranger in den Jahren 2015 und 2016 auch privat genutzt wurde und dementsprechend ein privater Nutzungsanteil im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen ist.

Die Kläger wurden in den Streitjahren gemäß §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger haben drei gemeinsame Kinder, von denen zwei in den Streitjahren noch dem Haushalt der Kläger zugehörig waren. Die am 00.00.1992 geborene Tochter E 3 studierte bis April 2016 in A und begann im August 2016 eine Ausbildung in der Tierklinik R (Entfernung zum Wohnhaus: ca. 29 km). Der am 00.00.1996 geborene Sohn E 4 absolvierte bis Juni 2016 eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner (Firma V, Entfernung zum Wohnhaus: 1,2 km). Die Kläger wohnen auf eigenem Grundstück A-Straße 1 in B mit einer Größe von ca. X qm. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einem Gartenbaubetrieb (Firmensitz/Betriebsstäte: A-Straße 1 in B), Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (Tätigkeitsstätte: U, Entfernung zum Wohnhaus: 1,5 km, direkt neben dem Ausbildungsbetrieb des Sohnes) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin arbeitete als Aushilfe auf Mini-Job-Basis im Betrieb des Klägers. Für den Gartenbaubetrieb ermittelte der Kläger den Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 EStG. Im Betrieb beschäftigte der Kläger 21 Arbeitnehmer bzw. Aushilfen. Ein Vorarbeiter im Betrieb des Klägers hatte einen eigenen Dienstwagen. Im Betriebsvermögen befanden sich darüber hinaus in den Streitjahren u. a. folgende PKW:

PKW

Kennzeichen

Nutzungszeitraum

Anschaffungskosten

PKW BMW X 3

Nr. 2

10.04.2014 – 19.02.2018

X €

PKW Ford Ranger

Nr. 1

ab dem 23.02.2015

X €

Der Kläger versteuerte die Privatnutzung des betrieblichen PKW PKW BMW X 3 mit der sog. 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Für den betrieblichen PKW FORD RANGER führte der Kläger kein Fahrtenbuch und nahm keine Versteuerung eines Privatanteils vor.

In den Streitjahren befanden sich folgende Fahrzeuge im Privatvermögen der Kläger:

PKW

Kennzeichen

Nutzungsdauer

Erstzulassung

VW Golf Cabrio

Nr. 3

27.01.2015 – 21.02.2018

00.00.2005

VW Polo

Nr. 4

bis zum 07.05.2015

00.00.1998

Ford Fiesta

Nr. 4

seit 04.02.2015

00.00.2003

Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte an 195 Tagen mit einer einfachen Entfernung von 10 km, die mit dem PKW zurückgelegt worden seien. Für das Jahr 2016 erklärte der Kläger keine Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. In beiden Streitjahren wurde der Werbungskostenpauschbetrag i. H. v. jeweils 1.000,00 € bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer in Abzug gebracht. Die Einkommensteuererklärungen wurden endgültig antragsgemäß veranlagt.

Der Beklagte führte für die Zeiträume Januar 2015 bis März 2018 eine Lohnsteueraußenprüfung durch, die mit Bericht vom 25.05.2018 endete. Darin traf die Prüferin die Feststellung, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine private Mitbenutzung des PKW Ford Ranger spreche und mangels Fahrtenbuchs die Privatnutzung mit der 1%-Regelung anzusetzen sei. Als maßgeblichen Bruttolistenpreis schätzte die Prüferin einen Betrag i. H. v. 50.000,00 €.

Der Beklagte änderte gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2015 und 2016 mit Bescheiden vom 29.08.2018 und erhöhte den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Jahres 2015 um 5.000,00 € (geschätzter Bruttolistenpreis 50.000,00 € × 1 % × 10 Monate) und den Gewinn des Jahres 2016 um 6.000,00 € (geschätzter Bruttolistenpreis 50.000,00 € × 1 % × 12 Monate).

In dem gegen die vorgenannten Änderungsbescheide geführten Einspruchsverfahren minderte der Beklagte nach erfolgtem N...

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