Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgängigmachung eines Kaufvertrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Veräußert ein Steuerpflichtiger seine Kapitalbeteiligung und kommt es später zu einem Streit über die Rückabwicklung des Vertrages, begründet ein gerichtlicher Vergleich kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, wenn die wirtschaftlichen Folgen des Veräußerungsgeschäfts von den Vertragsparteien nicht tatsächlich und vollständig beseitigt werden. Dieses ist insbesondere der Fall, wenn keine vollständige Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung erfolgt.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkommensteuer-Festsetzung 2003 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der von ihm 1989 gegründeten … … GmbH (G-GmbH), die das Betreiben von verschiedenen Grillverkaufswagen zum Gegenstand hatte. Er veräußerte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19.08.2003 die Anteile an der G-GmbH an Frau … (S) und Herrn … (M), die je 50 % der Anteile erwarben, zu einem Kaufpreis von 250.000,– EUR. Im Rahmen des Einkommensteuer-Bescheids für 2003 vom 25.09.2006 wurde insoweit erklärungsgemäß ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 110.659 EUR erfasst:

Verkaufserlös

250.000,00 €

Stammkapital

-26.000,00 €

Veräußerungskosten

-2.680,69 €

Veräußerungsgewinn

221.319,31 €

Halbeinkünfteverfahren

½

stpfl. Veräußerungsgewinn

110.659,16 €

Mit Urteil des Landgerichts C. (LG) vom 01.04.2009 …/06, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde der Kläger gesamtschuldnerisch mit seinem damaligen Steuerberater verurteilt, S und M unter anderem den Kaufpreis in Höhe von insgesamt 250.000,– EUR zurück zu zahlen Zug um Zug gegen Rückabtretung der Anteile an der G-GmbH. Ein Anspruch von S und M bestehe im Wege des Schadensersatzes aufgrund Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2, 280 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –). Der Kläger habe seine Pflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB verletzt, indem er unrichtige Bilanzen vorgelegt und S und M damit getäuscht habe.

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung (Aktenzeichen: …/09) ein. In der vor dem Oberlandesgericht J. (OLG) am 30.09.2010 durchgeführten mündlichen Verhandlung schlossen der Kläger und S und M einen Vergleich, nach dem der Kläger an S und M einen Betrag in Höhe von insgesamt 200.000,– EUR zu zahlen hatte. Bei Zahlung von 25.000,– EUR (je 12.500,– EUR an S und M) bis zum 30.10.2010 und von 100.000,– EUR (je 50.000,– EUR an S und M) bis zum 02.05.2011 werde ihm der Restbetrag in Höhe von insgesamt 75.000,– EUR erlassen. S und M traten die Anteile an der G-GmbH nach Punkt 4 des Vergleichs unter der aufschiebenden Bedingung der Vergleichserfüllung an den Kläger ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.09.2010 verwiesen. Der Vergleich wurde erfüllt. Der Kläger zahlte fristgerecht an S und M Beträge in Höhe von insgesamt 125.000,– EUR.

Die Kläger stellten unter dem 12.01.2011 einen Antrag auf Änderung der Einkommensteuer-Festsetzung für 2003 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, den der Beklagte mit Verfügung vom 14.04.2011 ablehnte. Der Beklagte wies den von den Klägern eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31.07.2012 als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am 27.08.2012 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor: Es liege durch die Rückzahlung des Kaufpreises und die Rückübertragung der GmbHAnteile aufgrund des gerichtlichen Vergleichs ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Dies mit der Folge, dass im Streitjahr 2003 keine Veräußerung stattgefunden habe und damit auch kein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG entstanden sein könne. Der Kaufvertrag über die GmbH-Anteile sei gemäß §§ 134, 138 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit ex-tunc-Wirkung nichtig, weil er aufgrund eines Verstoßes gegen § 263 des Strafgesetzbuchs (StGB) zustande gekommen sei. Die laut gerichtlichem Vergleich an die Käufer zurückgezahlten Beträge seien Rückzahlungen im Sinne des § 812 BGB. Hiermit erfülle er, der Kläger, keine vertragliche, sondern eine gesetzliche Pflicht aus §§ 823 Abs. 2, 826 BGB. Es handele sich also nicht um ein individualvertragliches Schuldverhältnis und keinesfalls um einen individualvertraglichen Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB. Die Interpretation des Beklagten, im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs sei es nicht zu einer Rückabwicklung des ursprünglichen Kaufvertrags vom 19.08.2003, sondern zu einem Rückkauf der GmbHAnteile gekommen, sei deshalb offenkundig rechtswidrig. Aber auch bei rechtswidriger Unterstellung des Vorliegens eines Kaufvertrags wäre ein vereinbarter Preis nur dann ein Entgelt im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB, wenn Leistung und Gegenleistung zueinander in einem ausgewogenen ...

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