Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Änderungsbefugnis zugunsten des Stpfl. bei antragsgemäßer Steuerveranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

Einkommensteuerbescheide sind zugunsten eines Steuerpflichtigen dann nicht mehr änderbar (§§ 129, 173 Abs. 2 Nr. 2, 174 AO), wenn der Steuerpflichtige einen Teil seiner Einnahmen als Chefarzt sowohl als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als auch als solche aus nichtselbstständiger Arbeit erklärt hatte und entsprechend veranlagt worden ist.

 

Normenkette

AO §§ 173-174, 129

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.04.2023; Aktenzeichen VIII R 9/20)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen für 2009 bis 2012 noch zu Gunsten der Kläger geändert werden können.

Die miteinander verheirateten Kläger werden für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war in den Streitjahren als leitender Abteilungsarzt der chirurgischen Abteilung in einem Krankenhaus in I-Stadt tätig.

Nach § 8 des Dienstvertrags vom 29.03.2007 erhielt der Kläger hierfür zwei Arten von Vergütung. Zum einen bezog er für seine Tätigkeit im sogenannten dienstlichen Aufgabenbereich eine feste monatliche Vergütung von zunächst 11.500,00 EUR (§ 8 Abs. 1 des Dienstvertrags). Diese Vergütung erhöhte sich ab dem 01.01.2010 auf 12.000,00 EUR (Änderungsvertrag vom 15.12.2009). Darüber hinaus war dem Kläger das Liquidationsrecht für die von ihm erbrachten wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken eingeräumt, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen hatten (§ 8 Abs. 2 des Dienstvertrags). Dieses Liquidationsrecht entfiel ab dem 01.01.2008 hinsichtlich sämtlicher Laborleistungen, wofür dem Kläger eine monatliche Zulage von 94,00 EUR eingeräumt wurde (Zusatzvereinbarung vom 19.12.2007). Für die Einräumung des Liquidationsrechts war der Kläger verpflichtet, einen Teil der sich nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ ergebenden Gebühren als „Abgaben” an den Krankenhausträger zu leisten (§ 8 Abs. 2 des Dienstvertrags). Zudem waren 10 % der Liquidationserlöse an einen Pool zu zahlen, an dem die nachgeordneten Ärzte der Abteilung teilhaben sollten (§ 9 des Dienstvertrags).

Jede Tätigkeit des Klägers außerhalb der Dienstaufgaben bedurfte gemäß § 17 des Dienstvertrags der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers. Mit Nebentätigkeitserlaubnis vom 29.03.2007 erteilte der Krankenhausträger dem Kläger die Erlaubnis, bestimmte Nebentätigkeiten „im Krankenhaus mit den Mitteln des Krankenhauses” auszuüben. Hierzu gehörte unter anderem die ambulante Beratung und Behandlung (Sprechstundentätigkeit) in seinem Fachgebiet. Zur Regelung ihrer rechtlichen Beziehungen im Zusammenhang mit der Ausübung von Nebentätigkeiten durch den Kläger schlossen der Kläger und der Krankenhausträger darüber hinaus einen Nutzungsvertrag für Tätigkeiten außerhalb der Dienstaufgaben vom 08.05.2007.

Wegen der weiteren Einzelheiten zur vertraglichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers und der von ihm hierfür bezogenen Vergütung wird auf den Dienstvertrag vom 29.03.2007, den Änderungsvertrag vom 15.12.2009, die Zusatzvereinbarung vom 19.12.2007, die Nebentätigkeitserlaubnis vom 29.03.2007 und den Nutzungsvertrag für Tätigkeiten außerhalb der Dienstaufgaben vom 08.05.2007 verwiesen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die steuerlich beratenen Kläger unter anderem Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit in folgender Höhe:

Einkünfte aus nichtselbst. Arbeit

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

2009

209.742,00 EUR

33.862,00 EUR

2010

222.929,00 EUR

37.214,00 EUR

2011

208.805,00 EUR

39.834,00 EUR

2012

223.850,00 EUR

59.300,00 EUR

Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Ausnahme des Jahres 2009, in dem er von Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von 38.288,00 EUR ausging, erklärungsgemäß. Die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre (2009: Bescheid vom 08.02.2011; 2010: Bescheid vom 13.06.2012, geändert mit Bescheiden vom 28.09.2012 und 22.10.2012; 2011: Bescheid vom 07.03.2013; 2012: Bescheid vom 17.06.2014), wurden jeweils bestandskräftig. Ein Vorbehalt der Nachprüfung bestand nur im Jahr 2010. Dieser wurde mit Bescheid vom 28.09.2012 aufgehoben.

Mit Schreiben vom 19.12.2014 beantragten die Kläger, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2012 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit in folgender Höhe festzusetzen:

Einkünfte aus nichtselbst. Arbeit

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

2009

205.717,00 EUR

7.078,11 EUR

2010

218.992,00 EUR

7.788,92 EUR

2011

205.194,00 EUR

3.778,55 EUR

2012

219.672,00 EUR

4.139,47 EUR

Zur Begründung führten sie aus, dass die Vergütungen für die stationär und ambulant durchgeführten Chefarztbehandlungen bislang insgesamt als Einnahmen bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit erklärt worden seien. Es hab...

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