Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung des Vorsitzenden eines Sportvereins für rückständige Lohnsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Stark verselbständigte Untergliederungen (Abteilungen) eines eingetragenen Sportvereins haben keine steuerlichen Pflichten i.S. des § 34 Abs. 1 S. 1 AO zu erfüllen, auch wenn sie selbst die Voraussetzungen für die Annahme eines nichtrechtfähigen Vereins erfüllen.

2) Eine Haftungsinanspruchnahme der Abteilungsvorsitzenden nach § 35 AO kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sie nach außen hin als Verfügungsberechtigte auftreten und tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, entweder Pflichten des gesetzlichen Vertreters selbst zu erfüllen oder durch die Bestellung entsprechender Organe erfüllen zu lassen.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1 S. 1, §§ 35, 69 Abs. 1; BGB § 26 Abs. 2, 2 S. 1; AO § 34 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.03.2003; Aktenzeichen VII R 46/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) für rückständige Lohnsteuer (LSt) eines Sportvereins, dessen Vorsitzender er war, haftet.

Der Kl. unterrichtet als Oberstudienrat an einer Berufsschule die Fächer … und … Er war seit 1991 bis zur Auflösung des Vereins 1. Vorsitzender des … Sportvereins H. von 19../19.. e.V. (SV H. e.V.; im Folgenden: „SV” oder „Verein”) und wird vom Beklagten (Bekl.) für rückständige LSt des Vereins aus den Anmeldungszeiträumen November 1995 bis März 1997 in Anspruch genommen. Das Amtsgericht (AG) H. hat den am 13.8.1998 gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Vereins am 8.12.1998 mangels Masse abgelehnt.

Der Verein gliederte sich in sieben Abteilungen für die einzelnen Sportarten. Unter diesen Abteilungen war die im Jahr 1984 gegründete Eissportabteilung ab etwa 1992/1993 mit einem Anteil von ca. 2/3 am Gesamtumsatz des Vereins die wirtschaftlich bedeutsamste. Diese Bedeutung beruhte darauf, dass eine Mannschaft am Spielbetrieb der Eishockeyliga des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) teilnahm. Die hier streitgegenständliche LSt ist durch Lohnzahlungen an Spieler dieser – halbprofessionell geführten – Eishockey-Mannschaft entstanden. Von den im Streitzeitraum ca. 1.000 Mitgliedern des SV entfielen ca. 400 – 450 auf die Eissportabteilung.

Nach der im maßgeblichen Zeitraum gültigen Satzung des Vereins vom 18.3.1994 (mit Änderungen vom 3.5.1995) bestand der Vorstand i.S.d. § 26 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus dem 1. und 2. Vorsitzenden (Nr. 8 Satz 1 der Satzung). Diese hatten jeweils Einzelvertretungsbefugnis, welche der 2. Vorsitzende aber nur im Einvernehmen mit dem 1. Vorsitzenden ausüben durfte. Zu den satzungsmäßigen Organen des Vereins gehörten neben dem genannten Vorstand i.S.d. § 26 BGB auch noch der Hauptvorstand, die Abteilungsvorstände und die Abteilungsvorsitzenden; letztere als besondere Vertreter i.S.d. § 30 BGB (Nr. 7 der Satzung). Eine Eintragung der besonderen Vertreter ins Vereinsregister erfolgte allerdings nicht. Die Vertretungsmacht der Vorsitzenden und Abteilungsvorstände war in der Weise beschränkt, dass zu Rechtsgeschäften mit einem Geschäftswert von über 6.000 DM pro Jahr die Zustimmung des Hauptvorstands erforderlich war (Nr. 8 Satz 4 der Satzung). Der Hauptvorstand war für alle Angelegenheiten des Vereins zuständig, soweit diese nicht durch die Satzung einem anderen Organ übertragen waren, insbesondere für die Buchführung (Nr. 9 Buchst. d der Satzung). Er hatte Informations-, Kontroll- und Eingriffsrechte gegenüber den Abteilungsvorständen, konnte Mahnungen aussprechen, Weisungen erteilen und Beschlüsse annullieren (Nr. 9 Buchst. g der Satzung). Die Abteilungsvorstände hatten im Wesentlichen die Organisation des Sportbetriebs sowie Mitgliederangelegenheiten zur Aufgabe (Nr. 12 der Satzung).

Bereits seit 1993 befasste sich der Verein mit einer organisatorischen Neuordnung der Eissportabteilung. Dabei stand sowohl in internen Papieren als auch im Schriftverkehr mit dem Finanzamt immer wieder die Frage im Mittelpunkt, wie der Hauptvorstand von der Haftung für Steuerschulden aus dem liga-Spielbetrieb befreit werden könne. In einem umfangreichen juristischen Gutachten des heutigen Prozessvertreters des Kl. für den SV vom 25.7.1995, auf das Bezug genommen wird, war ausführlich dargelegt, dass die Mitglieder des Hauptvorstands die Verantwortung für den Gesamtverein tragen und auch für Steuerschulden der Abteilungen – erforderlichenfalls im Wege der persönlichen Haftungsinanspruchnahme – aufkommen müssten. Hingeweisen wurde insbesondere auf die mit der Beschäftigung bezahlter Sportler verbundenen Gefahren.

Auf Sitzungen des Hauptvorstands sowie auf Jahreshauptversammlungen kam es immer wieder zu lebhaften Diskussionen um die Buchführung, insbesondere im Hinblick auf den Eishockey-Spielbetrieb. So forderte der Hauptvorstand die Eissportabteilung am 10.8.1994 auf, die den Zeitraum ab dem 1.6.1994 betreffenden Buchführungsunterlagen dem Hauptkassierer zu übermitteln. Mit Schreiben vom 27.9.1995 forderte der SV den Abteilungsleiter Eissport auf, Inf...

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