Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche mehraktige Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine einheitliche mehraktige Berufsausbildung ist nicht gegeben, wenn eine ausgebildete Bankkauffrau neben einer Berufstätigkeit in Vollzeit zunächst als Akademiestudentin in Teilzeit eingeschrieben ist und danach einen Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften absolviert, für den eine mindestens dreijährige Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf Voraussetzung ist. Die während des gesamten Studiums ausgeübte Erwerbstätigkeit als Bankkauffrau von mehr als 20 Stunden in der Woche bildet insoweit eine anspruchsschädliche Zäsur im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 S. 1; KStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.05.2019; Aktenzeichen III R 54/18)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers für die Zeit von Oktober 2013 bis Februar 2018 zu Recht abgelehnt hat.

Die am ….12.1993 geborene Tochter A des Klägers absolvierte, nachdem sie den Realschulabschluss erworben hatte, eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Sparkasse B, die sie am 17.01.2013 erfolgreich abschloss. Seit dem 18.01.2013 ist A bei ihrem Ausbildungsbetrieb als Bankkauffrau im Rahmen einer Vollzeittätigkeit (mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von über 20 Stunden) beschäftigt.

Seit dem 01.10.2013 studiert die Tochter des Klägers an der Fernuniversität in Hagen im Rahmen eines Teilzeitstudiums. Dieses absolvierte sie – ausweislich der vorliegenden Studienbescheinigungen – vom Wintersemester 2013/2014 bis zum Sommersemester 2016 als Akademiestudentin. Seit dem Wintersemester 2016/2017 ist A als ordentliche Studierende im Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften mit dem angestrebten Abschluss Bachelor of Science eingeschrieben. Die Regelstudienzeit des Teilzeitstudiums beträgt 9 Semester. Derzeit befindet sich die Tochter des Klägers im 9. Regelsemester, hat sämtliche Prüfungen bestanden und schreibt ihre Bachelorarbeit. Insoweit wird auf die Leistungsübersicht der Fernuniversität in Hagen vom 07.03.2018 verwiesen. Die Sparkasse B gewährte der Tochter des Klägers zur Durchführung des Teilzeitstudiums – wie sich aus dem Schreiben vom 17.07.2013 ergibt – pro Regelsemester 5 Tage Sonderurlaub.

Die Zulassung zu einem Bachelorstudiengang setzt an der Fernuniversität in Hagen grundsätzlich die allgemeine Hochschulreife, eine einschlägige fachgebundene Hochschulreife oder eine vergleichbare ausländische Qualifikation voraus. Beruflich Qualifizierte mit fachlicher Eignung für ihren gewünschten Bachelorstudiengang können das Studium an der Fernuniversität in Hagen auch ohne Abitur beginnen. Hierbei setzt die Aufnahme des fachlich entsprechenden Bachelorstudiengangs eine abgeschlossene mindestens zweijährige Berufsausbildung sowie eine anschließende mindestens dreijährige Berufspraxis im Ausbildungsberuf (Vollzeittätigkeit, Teilzeittätigkeit wird anteilig berücksichtigt) voraus.

Ein Nachweis für bestimmte Zulassungsvoraussetzungen ist für das von der Tochter des Klägers zunächst aufgenommene Akademiestudium nicht erforderlich, da Akademiestudierende nicht in einen Studiengang eingeschrieben werden und somit auch keinen Hochschulabschluss erlangen. Akademiestudierende können – mit Ausnahme der Psychologiestudiengänge – aus dem Studienangebot frei Kurse und Module belegen. Teilweise können sie die Kurse und Module mit Klausuren oder Hausarbeiten abschließen. Soweit Akademiestudierende später die Voraussetzungen für eine Einschreibung in einen Studiengang erfüllen, besteht die Möglichkeit der Anerkennung der im Rahmen des Akademiestudiums erbrachten Leistungen. Das Akademiestudium entspricht dem Gasthörerstudium an Präsenzhochschulen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausdrucke der Internetseite der Fernuniversität in Hagen und insbesondere des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften (www.fernunihagen.de) verwiesen, die zur Gerichtsakte genommen wurden.

Im November 2017 beantragte der Kläger rückwirkend ab dem 01.10.2013 Kindergeld für seine Tochter A. Die Beklagte lehnte die Kindergeldgewährung mit Bescheid vom 05.12.2017 ab. A habe bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen und befinde sich derzeit in einer weiteren Berufsausbildung. Die gleichzeitige Vollzeiterwerbstätigkeit sei vorliegend anspruchsschädlich.

Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15.02.2018).

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, er habe im Streitzeitraum (von Oktober 2013 bis Februar 2018) einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld für seine Tochter A.

Seine Tochter habe ihre Erstausbildung noch nicht abgeschlossen und sei daher nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen.

A habe bereits mit Beendigung ihrer Schulausbildung an der Realschule den Wunsch gehabt, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Da ihr mangels Fachhochschulr...

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