Entscheidungsstichwort (Thema)

Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die sog. Corona-Überbrückungshilfe, die nach den Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen für kleine und mittelständische Unternehmen gezahlt wird, ist jedenfalls bei summarischer Prüfung nach § 319 AO i.V.m. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar.

2. Die zur sog. Corona-Soforthilfe in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Rspr. ist auf die Corona-Überbrückungshilfe übertragbar (vgl. u.a. BFH v. 9.7.2020 – VII S 23/20 AdV, DStR 2020, 1734).

3. Grundsätzlich darf eine Regelungsanordnung das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sonst schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner betrieblich notwendige Aufwendungen längerfristig nicht bezahlen und dies dazu führen kann, dass er auf Grund von weiteren Pfändungen, Schadenersatzansprüchen oder Kündigungen seine berufliche Tätigkeit vollständig einstellen muss.

 

Normenkette

ZPO §§ 294, 851 Abs. 1, § 920; AO § 319; FGO § 114 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

I.

Der verheiratete Antragsteller ist Diplom-Kaufmann und als Einzelunternehmer in der Wirtschaftsberatung tätig und bestreitet aus dieser Tätigkeit seien Lebensunterhalt. Er unterhält u.a. bei der X-bank O eG ein Girokonto, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird und am 14.10.2020 kein Guthaben aufwies, ein Sparkonto, das am 14.10.2020 ein Guthaben von 6,63 € aufwies, sowie Geschäftsanteile in Höhe von 750,00 €. Ein weiteres Konto unterhält der Antragsteller bei der M Bank … (Kontonummer IBAN DE xxx), das ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge am 01.09.2020 ein Guthaben in Höhe von 176,82 € aufwies. In der Zeit vom 02.09.2020 bis zum 14.09.2020 gingen auf dem Konto Zahlungen in Höhe von 90,00 € und 150,00 € ein und wurden vom Konto Beträge in Höhe von insgesamt 409,37 € abgebucht.

Wegen rückständiger Steuerbeträge in Höhe von 19.250,71 € (insbesondere Einkommensteuer 2017 und Umsatzsteuer 4. Quartal 2019) erließ der Antragsgegner unter dem 15.09.2020 betreffend das Konto bei der M Bank … eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die der Antragsteller angefochten hat. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der M Bank … mit Zustellungsurkunde am 18.09.2020 zugestellt.

Am 17.09.2020 wurde dem Konto des Antragstellers bei der M Bank … ein Betrag in Höhe von 3.784,10 € gutgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine sog. Corona-Überbrückungshilfe, die dem Antragsteller mit Bescheid der Bezirksregierung N vom 16.09.2020 bewilligt worden war. Ausweislich des Bewilligungsbescheides der Bezirksregierung N vom 16.09.2020 wurde diese Billigkeitsleistung aufgrund der Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen „Überbrückungshilfe-NRW 2020”) i.V.m. § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) bewilligt. Der Antragsteller erhielt diese Überbrückungshilfe in Höhe von insgesamt 3.784,10 € für die Monate Juni bis August 2020, davon ein Betrag in Höhe von 1.784,10 € als Bundesmittel und ein Betrag in Höhe von 2.000,00 € als Landesmittel. Eine Abtretung oder Verpfändung der Billigkeitsleistung ist laut Bescheid nicht zulässig. Im Bescheid wird u.a. weiter wie folgt ausgeführt:

„Die Überbrückungshilfe ist zweckgebunden und dient ausschließlich dazu, kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Angehörigen der Freien Berufe, die durch Corona bedingte vollständige oder teilweise Schließungen oder Auflagen erhebliche Umsatzausfälle erleiden, für die Monate Juni bis August 2020 eine weitergehende Liquiditätshilfe in Form der auf den jeweiligen Vergleichsmonat bezogenen anteiligen Erstattung von betrieblichen Fixkosten zu gewähren und so zu ihrer Existenzsicherung beizutragen. Die Regelungen der Richtlinien des Landes zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen „Überbrückungshilfe-NRW 2020”) werden für verbindlich erklärt und sind Bestandteil des Bescheides.”

Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Regelungen der Bezirksregierung N wird auf den Bewilligungsbescheid vom 16.09.2020 Bezug genommen.

Nach Eingang der Überbrückungshilfe auf dem Konto des Antragstellers bei der M Bank … wurden bis zum 27.09.2020 weitere Beträge in Höhe von insgesamt 1.059,65 € abgebucht. Die letzte Abbuchung in Höhe von 6,00 € erfolgte am 27.09.2020 durch die M Bank … selbst. Es wurden keine weiteren Beträge auf das Konto eingezahlt. Das Guthaben zum 28.09.2020 betrug 2.731,90 €.

Mit Schreiben vom 23.09.2020 teilte die M Bank … dem Antragsteller mit, dass aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners es der Bank untersagt sei, Zahlungen an ihre Kunden zu veranlassen.

Über den außergerichtlichen Antrag des Antragstellers vom 23.09.2020, die Kontenpfändung betreffend das Konto bei der M Bank … einstweilen einzustellen, u...

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