Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein besonderes Aussetzungsinteresse gegen die Besteuerung eines Erwerbsvorgangs zwischen Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Senat hat zwar mit Beschluss in EFG 2011, 1449 gem. Art. 100 GG dem BVerfG die streitentscheidende Frage vorgelegt, ob § 3 Nr. 4 GrEStG insoweit verfassungswidrig ist, als danach bis zum 31.12.2010 vorgenommene Grundstücksübertragungen zwischen eingetragenen Lebenspartnern nicht wie Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreit sind.

2) Der Senat hält es aber nicht für geboten, deshalb auch die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vor einer Entscheidung des BVerfG darüber aufzuheben.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2, Abs. 2 S. 2; GrEStG § 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.06.2012; Aktenzeichen II B 17/12)

BFH (Beschluss vom 18.06.2012; Aktenzeichen II B 17/12)

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Aufhebung der Vollziehung (AdV) eines Grunderwerbsteuerbescheides wegen der Besteuerung eines Erwerbsvorganges zwischen Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft.

Der Antragsteller (Ast.) erwarb mit notarieller Urkunde vom 06.10.2010 (UR.-Nr. …/2010 Notarin C in D) von Herrn N, mit dem seit dem 05.03.2010 eine eingetragene Lebenspartnerschaft besteht (Registernr. L …/2010 Standesamt S), den Grundbesitz T-straße … in D (Grundbuch des Amtsgerichts D Blatt …) zu Eigentum unter Vorbehalt des lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchsrechts durch den Übertragenden. In der notariellen Urkunde vom 06.10.2010, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, war mehrfach erwähnt, dass die Übertragung bedingt war durch das Bestehen der Lebenspartnerschaft.

Der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) hielt den Vorgang wegen des Wortlauts von § 3 Nr. 4 Grunderwerbsteuergesetz in der bis zum 13.12.2010 geltenden Fassung (GrEStG) nicht für steuerbefreit und setzte die Grunderwerbsteuer auf … EUR (3,5 v. H. der steuerpflichtigen Gegenleistung = …-Wert des Nießbrauchs-) fest.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch, macht der Ast. geltend, die bis zum 13.12.2010 geltende Beschränkung der Steuerbefreiung auf Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Das Einspruchsverfahren ruht.

Die festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde entrichtet. Das FA hat die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.

Nachdem der Vorlagebeschluss des Senats vom 24.03.2011 Az. 8 K 2430/09 GrE (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 1449) bekannt geworden war, beantragte der Ast. unter Bezugnahme auf den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AO) Rz. 4.6.1 zu § 361 AO die Aufhebung des erfolgten Vollzugs des Grunderwerbsteuerbescheids.

Das FA lehnte dieses unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 27.05.2010 8 V 52/10 (juris) mangels eines besonderen Aussetzungsinteresses ab.

Mit Schreiben vom 28.09.2011 begehrte der Ast. beim Finanzgericht (FG) die Aufhebung der Vollziehung und bezog sich zur Begründung auf den Vorlagebeschluss des beschließenden Senats in EFG 2011, 1449. Auf eine Abwägung der Interessen des Steuerpflichtigen an der Aufhebung der Vollziehung und dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung komme es deshalb nicht mehr an, da für den Fall, dass der Bundesfinanzhof (BFH) oder ein FG von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Norm überzeugt sei und diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt habe, die Aufhebung der Vollziehung zu gewähren sei.

Der Ast. beantragt,

die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 08.11.2011 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den eingelegten Einspruch ohne Sicherheitsleistung aufzuheben,

hilfsweise im Unterliegensfalle,

die Beschwerde zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt das FA an, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes, die mit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschriften begründet werden, sei die Gewährung der AdV zwar nicht ausgeschlossen, sie setze jedoch nach der Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Ast. an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 01.04.2010 II B 168/09, BStBl. II 2010, 558). Bei der Abwägung zwischen einem berechtigten Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen und den gegen die Gewährung von AdV sprechenden öffentlichen Belangen, komme es einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkung einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Ein Vorrang des Interesses des Steuerpflichtigen liege vor, wenn irreparable Nachteile durch d...

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