Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung: Haushalt am Wohnort

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine über 20 Jahre bestehende doppelte Haushaltsführung setzt nicht nur das Bestehen eines eigenen Haushalts am Wohnort im Wegzugszeitpunkt und dessen Beibehaltung voraus; nachzuweisen ist auch, dass sich der Lebensmittelpunkt nicht – sukzessive – an den Beschäftigungsort verlagert hat.

2. Ist ein eigener Haushalt im Wegzugszeitpunkt nicht zweifelsfrei nachgewiesen und wird ein solcher erst zu einem späteren Zeitpunkt eindeutig begründet, so kann sich ab dessen Fertigstellung der Lebensmittelpunkt wieder an den ursprünglichen Wohnort zurückverlagern mit der Folge, dass Fahrtkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG als Werbungskosten abzugsfähig werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 4, 6

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003, jeweils vom 29.11.2004, und die Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005 werden dahingehend abgeändert, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von jeweils 3.332 EUR für Fahrtkosten zwischen dem Lebensmittelpunkt und der Arbeitsstätte berücksichtigt werden. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 73%, der Beklagte zu 27%.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Die 1955 geborene ledige Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wohnt seit 1980 in München. Sie wird beim Finanzamt München IV zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob sie vor 1980 ihren Lebensmittelpunkt am Wohnort in Altaussee / Salzkammergut / Österreich hatte und in den Streitjahren weiterhin beibehalten hat.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragte sie Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 11.890 bzw. 11.916 EUR und machte u.a. je 48 Familienheimfahrten à 239 km geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an, da die Fahrten nach Altaussee nicht nachgewiesen wurden.

Mit ihrem Einspruch trug die Klägerin vor, sie habe schon vor 1980 und auch weiterhin im Haus ihrer Eltern einen eigenen Hausstand unterhalten. Sie habe eine 52 qm große Wohnung mit 2 Zimmern, Küche und Bad bewohnt, die sie nach der Übertragung des Hauses auf sie im Jahre 1997 durch einen Anbau erweitert habe. Ihre Wohnung in München bestehe ebenfalls aus 2 Zimmern und sei 62 qm groß. Die Heimfahrten habe sie jeweils mit Mitfahrern getätigt, von denen zwei schriftlich bestätigt hätten, dass sie „in den Kalenderjahren 2002 und 2003 regelmäßig mit ihrem eigenen Pkw und zum Teil im Rahmen einer Fahrgemeinschaft mit mir oder anderen Kollegen oder Personen, die in Altaussee wohnen und in München arbeiten, zu Wochenenden nach Hause gefahren” sei. Dies könne sie nicht mehr durch Belege nachweisen, da sie infolge der zwischenzeitlichen Beschränkung der doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre, die für die Streitjahre erst durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder weggefallen sei, davon ausgegangen sei, dass ein Abzug von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung in den Streitjahren ohnehin nicht mehr möglich sei.

Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.07.2005 als unbegründet zurück. Gerade bei nicht verheirateten Arbeitnehmern spiele die Zahl der – im vorliegenden Fall nicht nachgewiesenen – Heimfahrten eine erhebliche Rolle. Im Rahmen der Gesamtabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen mit zunehmender Beschäftigungsdauer an den Beschäftigungsort verlagere und dass die beiden Wohnungen der Klägerin annähernd gleich groß seien. Für die Wohnung in Altaussee habe die Klägerin zudem erst ab 1997 eine Nutzung kraft eigenen Rechts erlangt.

Sie trage zumindest die Darlegungslast für den nicht erfolgten Nachweis des Lebensmittelpunktes in Altaussee. Die Beweisanforderungen könnten auch nicht wegen der geänderten Rechtslage für die doppelte Haushaltsführung erleichtert werden, da nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung die Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung in jedem Veranlagungszeitraum gesondert zu prüfen seien und im Übrigen beim Vorliegen des Lebensmittelpunkts in Altaussee die Fahrten an den Wochenenden bei entsprechendem Nachweis als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hätten geltend gemacht werden können.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Bis 1995 sei die doppelte Haushaltsführung jeweils anerkannt worden. Für 1996 bis 2001 habe sie aufgrund der geänderten Rechtslage keine Einkommensteuererklärung mehr abgegeben. Die Familienheimfahrten habe sie durchgeführt, um ihre allein lebende Mutter zu versorgen. Diese s...

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