rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG bei Umzug der pflegebedürftigen und hochbetagten Erblasserin in eine Pflegeeinrichtung, Vermietung ihrer leerstehenden Wohnung (Familienheim) für einen festen mehrjährigen Zeitraum. ohne die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung. und bei Ende des Mietvertrags erst über zwei Jahre nach dem Tod der Erblasserin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Musste die pflegebedürftige und hochbetagte Erblasserin in ein Pflegeheim umziehen und war sie zur Finanzierung der Pflegeheimkosten auf die Vermietung der bisher selbstgenutzten eigenen Wohnung angewiesen, so steht ein auf vier Jahre geschlossener Zeitmietvertrag – ohne die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung – nach dem Tod der Erblasserin der Erbschaftsteuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bei der Tochter als Alleinerbin auch dann nicht entgegen, wenn der Mietvertrag nach dem Tod der Mutter noch eine Restlaufzeit von über zwei Jahren hatte und die Tochter erst anschließend die Wohnung nach einer Renovierung selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen konnte.

2. Ein Familienheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG setzt unter anderem eine bestimmte tatsächliche Nutzung voraus, nämlich, dass sich in der Wohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens befinden muss; der Charakter als Familienheim muss sowohl beim Erblasser als auch beim Erwerber gegeben sein. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG wird allerdings auch dann gewährt, wenn der Erblasser aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Einen solchen zwingenden Grund stellt unter anderem die Pflegebedürftigkeit dar.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1

 

Tenor

1. Die mit Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2021 festgesetzte Erbschaftsteuer wird auf … EUR herabgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin …% und der Beklagte …%.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Erbschaftsteuerbescheides, wobei zwischen den Beteiligten nur streitbehaftet ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, bei der Steuerfestsetzung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu gewähren.

Die Klägerin ist lt. Erbschein des Amtsgerichts … vom 2. Mai 2018 (…) Alleinerbin nach ihrer am X. Oktober 1919 geborenen und am X. Februar 2018 verstorbenen Mutter, Frau … (im Folgenden Erblasserin).

Im Nachlass befand sich neben Geldvermögen auch der 50%-ige Miteigentumsanteil an einem Zweifamilienhaus in …. Die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses wurde u.a. von Herrn …, dem Enkel der Erblasserin, genutzt und war im Zeitpunkt des Erbfalls nicht vermietet. Die Wohnung im Obergeschoss wurde zunächst von der Erblasserin bewohnt, stand nach deren Umzug in einer Pflegeeinrichtung seit April 2014 leer und wurde schließlich mit Mietvertrag vom 21. März 2016 an Herrn … befristet für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis 31. März 2020 vermietet, um die Kosten für ihre Unterbringung in der Pflegeeinrichtung zu decken. Lt. Mitteilung des Finanzamts … vom 12. November 2016 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den X. Februar 2018 für Zwecke der Erbschaftsteuer weisen beide Wohnungen eine Wohnfläche von jeweils 92 m² auf. Die Erblasserin war pflegebedürftig und hielt sich seit April 2014 bis zu ihrem Ableben in einer Pflegeeinrichtung auf. Unter dem Datum des 16. Oktober 2018 reichte die Klägerin eine Erbschaftsteuererklärung beim Beklagten ein und beantragte darin die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 12. November 2018 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den X. Februar 2018 für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das Finanzamt … den Grundbesitzwert des streitgegenständlichen Miteigentumsanteils auf … EUR fest. Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2020 setzte der Beklagte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer i.H.v. … EUR fest, wobei er die beantragte Steuerbefreiung nicht gewährte. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2020 Einspruch beim Beklagten ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. September 2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2021, der an demselben Tag bei Gericht einging, Klage, die wie folgt begründet wird:

Im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfüllt. Die streitgegenständliche Wohnung sei von der Erblasserin für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis 31. März 2020 vermietet worden....

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