rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haushaltszugehörigkeit eines volljährigen Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Kind ist in den Haushalt des Elternteils aufgenommen, bei dem es wohnt, versorgt und betreut wird, sodass es sich in der Obhut dieses Elternteils befindet.

2. Bei Aufenthalten eines Kindes sowohl in dem Haushalt des einen wie auch des anderen Berechtigten ist, da eine Aufteilung des Kindergelds ausgeschlossen ist, darauf abzustellen, wo sich das Kind überwiegend aufhält und wo es seinen Lebensmittelpunkt hat.

3. Je länger ein Kind auf eigenen Entschluss und mit Willen des einen Elternteils im Haushalt des anderen Elternteils lebt, desto mehr spricht dafür, dass dort ein neues Obhutsverhältnis begründet worden ist.

4. Von einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Kind seit mehr als drei Monaten bei dem anderen Elternteil lebt und eine Rückkehr nicht von vornherein feststeht.

5. Das immaterielle Merkmal der Haushaltsaufnahme tritt bei älteren, insbesondere volljährigen Kindern in den Hintergrund und ist erfüllt, wenn sich die Zuwendungen immaterieller Art als Ausdruck des familiären Bandes darstellen.

 

Normenkette

EStG §§ 31, 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn S […] (geboren […] 2000) im Zeitraum von September 2019 bis März 2020 Kindergeld zusteht.

I.

Die Klägerin beantragte für ihren Sohn S […] am 14. November 2018 Kindergeld (KG-Akte Bl 339). Im Kindergeldantrag hatte die Klägerin angegeben, dass sie in [… U-Dorf] wohne, seit 1997 geschiedene sei und dass ihr Ehegatte verstorben sei. Der Vater des Sohnes ist […] (der Beigeladenen). Aufgrund der Kindergeldfestsetzung vom 20. Dezember 2018 wurde der Klägerin laufend Kindergeld für S ab Januar 2019 gewährt (KG-Akte Bl 346). Die Kindergeldfestsetzung war intern befristet auf das voraussichtliche Ende des Schulbesuchs zum Juli 2021.

Im Februar 2020 wurde der Beklagten – […] (Familienkasse) – bekannt, dass S […] seit […] September 2019 in [… G-Dorf] gemeldet ist und dass die Klägerin seit November 2019 in […] K-Dorf gemeldet ist (KG-Akte Bl 350, 351). Darauf forderte die Familienkasse mit Schreiben vom 16. März 2020 die Klägerin auf, Angaben zur Haushaltszugehörigkeit von S zu machen.

Am 16. März 2020 beantragte S die Abzweigung des gegenüber der Klägerin festgesetzten Kindergeldes an sich; der Abzweigungsantrag ging am 25. März 2020 bei der Familienkasse ein. S teilte der Familienkasse u.a. mit, dass er seit September 2019 bei dem Beigeladenen in […] G-Dorf wohne, dass die Klägerin das Kindergeld für ihn beziehe und dass die Klägerin keinen Unterhalt für ihn leiste (KG-Akte Bl 357). Er wohne in […] G-Dorf im selben Haus wie die kindergeldberechtigte Person aber in einer eigenen Wohnung, der Beigeladene bezahle die Miete, aber er wohne in der Wohnung. Er sei für die Lebensmittel zuständig (KG-Akte Bl 358). Er befinde sich seit […] September 2019 in Berufsausbildung, die Berufsausbildung betrage 42 Monate, er werde zum Informationselektroniker ausgebildet und das Berufsausbildungsverhältnis bestehe mit dem Beigeladenen. Dem Antrag war eine Kopie des Berufsausbildungsvertrages vom […] September 2019 zwischen S und dem Beigeladenen beigefügt (KG-Akte Bl 359).

Mit Kassenanordnung vom 31. März 2020 wurden die Kindergeldzahlungen an die Klägerin eingestellt und mit Bescheid vom 31. März 2020 die Kindergeldfestsetzung für S gegenüber der Klägerin ab April 2020 aufgehoben (KG-Akte Bl 364). Außerdem lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 31. März 2020 gegenüber S seinen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes ab, da er im Haushalt kindergeldberechtigten Vaters (des Beigeladenen) lebe und durch die Haushaltsaufnahme Unterhalt in ausreichender Höhe gewährt werde (KG-Akte Bl 368).

Mit Schreiben vom 24. April 2020 teilte die Familienkasse der Klägerin mit, dass sie im Zeitraum September 2019 bis März 2020 Kindergeld in Höhe von 1.428,00 EUR bezogen habe, obwohl sie darauf möglicherweise keinen Anspruch habe, da das Kind seit […] September 2019 (Schreibfehler im Schreiben: 2020 statt 2019) bei dem Kindsvater (dem Beigeladenen) lebe. Dieser habe ab September 2019 den vorrangigen Kindergeldanspruch.

Am 28. Mai 2020 meldete S bei der Gemeinde seinen Wohnsitzwechsel zum […] Mai 2020 in die Wohnung der Klägerin in […] K-Dorf an (KG-Akte Bl 379).

Die Klägerin teilte mit E-Mail vom 9. August 2020 der Familienkasse mit, dass S seit […] Mai 2020 wieder in ihrem Haushalt lebe und wieder die Schule besuche (KG-Akte Bl 374, 378). Am 28. August 2020 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für S (KG-Akte Bl 380). Mit Bescheid vom 5. November 2020 (KG-Akte Bl 401) setzte die Familienkasse gegenüber der Klägerin wieder Kindergeld für S ab Juni 2020 fest.

Mit Bescheid vom 17. März 2021 (KG-Akt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge