Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs. Notwendigkeit der wirtschaftlichen Belastung bei Berücksichtigung von Betriebsschulden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Rechtsprechung des BFH zum formellen Bilanzzusammenhang handelt es sich um eine gefestigte Rechtsprechung. Nach diesen Grundsätzen ist in den Fällen, in denen eine Bilanzberichtigung für die Vergangenheit nicht mehr möglich ist, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist.

2. Betriebsschulden können bei der Ermittlung des Betriebsvermögens nur abgezogen werden, wenn sie zum einen am maßgeblichen Stichtag rechtlich bereits entstanden und noch nicht erloschen sind und zum anderen eine wirtschaftliche Belastung darstellen.

Vorsätzlich verkürzte Steuern sind an Stichtagen vor Aufdeckung der Steuerhinterziehung grundsätzlich nicht abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1; BewG § 103 Abs. 1, § 105 Abs. 1, § 118 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.07.2005; Aktenzeichen 2 BvR 492/04, 2 BvR 493/04, 2 BvR 494/04, 2 BvR 495/04, 2 BvR 496/04, 2 BvR 497/04, 2 BvR 498/04, 2 BvR 499/04, 2 BvR 500/04, 2 BvR 501/04)

BFH (Beschluss vom 12.12.2003; Aktenzeichen IV B 62/02)

 

Tatbestand

I.

1) Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin in den Bilanzen zum 31. Dezember 1985 bis 31. Dezember 1994 und in den Jahren zuvor die Warenbestände zu niedrig angesetzt hatte. Über die Höhe der tatsächlich anzusetzenden Vorratsbestände wurde im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzverwaltung Einigung erzielt. Zum Zeitpunkt der Steuerfahndungsprüfung waren – zwischen den Parteien unstreitig – die Verjährungsfristen bis einschließlich des Jahres 1984 abgelaufen.

2) Im Bescheid über die geänderte gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1985 – 1989 vom … wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1985 auf … DM festgestellt.

Bei der Gewinnermittlung wurde das Vorratsvermögen zum Schluss des Wirtschaftsjahres 1985 um die gesamten bisher nicht erfassten Mehrbestände an Waren um 5.186.463 DM auf 10.145.015 DM erhöht. Als Anfangsbestand zum 1. Januar 1985 wurde das Vorratsvermögen laut Bilanz zum 31. Dezember 1984 in Höhe von 4.754.092 DM zu Grunde gelegt. Das Vorratsvermögen zum 31. Dezember 1984 betrug laut der tatsächlichen Verständigung 9.489.522 DM. Dieser Wert wurde vorsorglich für den Fall in die tatsächliche Verständigung mit einbezogen, falls der Bundesfinanzhof ein Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 1996 11 K 3601/93 F bestätigen sollte.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit Ihrem Einspruch. Zur Begründung nimmt die Klägerin auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 1996 (11 K 3601/93 F, EFG 1996, 983) Bezug.

Mit Einspruchsentscheidung wies der Beklagte (das Finanzamt – FA) den Einspruch als unbegründet zurück. Die Festsetzungsverjährung sei mit Ablauf des 31. Dezember 1984 eingetreten. Daher könne eine Berichtigung des fehlerhaften Bilanzansatzes zum 31. Dezember 1984 nicht mehr durchgeführt werden. Die notwendige Korrektur sei daher in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich sei. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. April 1998 (VIII R 46/96, BStBl II 1998, 443) wurde hingewiesen.

3) Aufgrund der tatsächlichen Verständigung änderte das FA mit Bescheiden vom 10. Juni 1998 die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 bis 1. Januar 1992. Bei der Ermittlung der Einheitswerte des Betriebsvermögens wurden die nachgeforderten Gewerbesteuer- und Zinsschulden nicht berücksichtigt.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 1998 Einspruch ein, weil die Gewerbesteuer- und Zinsschulden nicht berücksichtigt wurden.

Abgesehen von einer im vorliegenden Verfahren nicht mehr streitigen Frage wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurückgewiesen. Die geltend gemachten Schulden würden am Veranlagungszeitpunkt keine wirtschaftliche Belastung für die Klägerin darstellen, weil sie mit der Einforderung nicht zu rechnen brauchte. Dieser Sachverhalt sei bei Steuernachholungen gegeben, die dem Steuergläubiger erst durch Aufdeckung einer Steuerhinterziehung bekannt würden.

Die mit den Bescheiden festgestellten Einheitswerte und die streitigen Gewerbesteuer- und Zinsschulden stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:

4) Mit Klage vom 16. Juni 1999 verfolgt die Klägerin weiterhin die Änderung der angegriffenen Bescheide. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

a) Die der gesonderten Feststellung zugrunde liegende Berechnung gründe sich zwar auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zum formellen Bilanzzusammenhang. Aber weder der dogmatische Ansatz dieser Rechtsprechung noch die Begründung im Einzelnen könne überzeugen:

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