Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage im Rahmen eines Investitionsmodells bei fehlender Verfügungsmacht des Erwerbers über die Anlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die selbst nicht über eine Immobilie verfügende Steuerpflichtige ist nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Einzelteile einer Photovoltaikanlage im Rahmen eines Investitionsmodells berechtigt, wenn schon im Zeitpunkt der Beststellung feststand, dass die Anlage an einen vorgegebenen Pächter langfristig verpachtet werden musste, eine anderweitige Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen war, die Steuerpflichtige auch keinerlei Einfluss auf den vom Pächter zu bestimmenden Standort der Anlage hatte, die Anlage vom Veräußerer unmittelbar an den Pächter ausgeliefert wurde und die Steuerpflichtige somit keine Verfügungsmacht an der Anlage erlangt hat, so dass keine zum Vorsteuerabzug berechtigende „Lieferung” i. S. v. § 3 Abs. 1 UStG an die Steuerpflichtige vorlag.

2. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist ein Vorgang tatsächlicher Natur. Entscheidend ist, dass der liefernde Unternehmer dem Abnehmer wirtschaftlich eine Position verschafft, die einem Eigentümer vergleichbar ist. Das ist der Fall, wenn der Leistende dem Abnehmer Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes zuwendet. Der Gegenstand der Leistung ergibt sich aus den Abmachungen der Beteiligten, wobei auf den wirtschaftlichen Kern des Vertragsverhältnisses abzustellen ist.

 

Normenkette

UStG 2010 § 3 Abs. 1, §§ 14, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2 Buchst. a; Richtlinie 2006/112/EG Art. 14 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.09.2015; Aktenzeichen XI R 21/13)

BFH (Urteil vom 09.09.2015; Aktenzeichen XI R 21/13)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage zu Recht abgelehnt hat.

Die Klägerin ist als Kleinunternehmerin im Bereich Partyservice, Organisation und Dekoration von Festen tätig. Am 20. Dezember 2010 reichte sie beim FA eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2010 ein, in der sie Vorsteuern von 9.500 EUR im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Photovoltaikanlage geltend machte. Außerdem übergab sie einen ausgefüllten Fragebogen zur Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage. Als Anlage beigefügt war eine Auftragsbestätigung der Firma X vom 11. November 2010 über den Kauf einer Photovoltaikanlage mit 13,15 kWp.

Auf Nachfrage der Umsatzsteuervoranmeldungsstelle übersandte die Klägerin am 24. Januar 2011 drei Rechnungen der Firma X. Die Rechnung vom 11. November 2010 (Nr. 20100227) lautete über einen Gesamtbetrag von 59.500 EUR mit einem ausgewiesenen Vorsteuerbetrag von 9.500 EUR. In zwei weiteren nachträglich von der X am 15. November 2010 und 15. Dezember 2010 erstellten Rechnungen (Nr. 20100228 über einen Gesamtbetrag von 50.000 EUR, Vorsteuer 7.983,19 EUR und Nr. 20100249 über einen Gesamtbetrag von 9.500 EUR, Vorsteuer 1.516,81 EUR) war der ursprüngliche Rechnungsbetrag von 59.500 EUR aufgeteilt worden.

Als Liefergegenstand waren Wechselrichter, Elektrik und Verteiler, Elektromaterial inklusive aller notwendigen Kabel, Stecker, Verteiler bis zum Zählerkasten, Zählerschrank, Zählerfeld, Zähler inklusive aller Schienen und Halterungen im Zählerschrank (Rechnung Nr. 20100249) sowie SN Solartechnics SN 50Wp Dünnschicht, Unterkonstruktion inklusive aller Aluminiumprofile, Klemmen, Edelstahlschrauben und Dachanbindungen (Rechnung Nr. 20100228) aufgeführt.

Außerdem reichte die Klägerin einen Pachtvertrag ein, den sie am 20. Dezember 2010 mit der Y geschlossen hatte. Als Gegenstand des Pachtvertrages wurde dabei nicht die Überlassung der Photovoltaikanlage in betriebsbereitem Zustand, sondern die Überlassung der Einzelteile vereinbart (§ 1 des Pachtvertrages). Ab Januar 2011 war ein monatlicher Pachtzins für 215 Monate von jeweils 541,67 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 102,92 EUR (gesamt 644,59 EUR) vereinbart worden. Die Firma Y hatte sich weiterhin verpflichtet, die Anlage an einem geeigneten Standort in Deutschland, insbesondere auf einem Dach oder in einem Solarpark, zu errichten und während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses die Funktionsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu gewährleisten (§ 6 des Pachtvertrages). § 7 des Pachtvertrages enthält die Befugnis des Pächters, den Aufstellungsort der Anlage zu wechseln. Nach § 4 des Pachtvertrages verpflichtete sich die Klägerin u. a., die Photovoltaikanlage nach Ablauf des Pachtvertrages der Firma Y oder einem von dieser benannten Dritten zu einem Kaufpreis von 10.833,40 EUR anzubieten.

Da die Klägerin die angeforderten Nachweise über die Lieferung, insbesondere das Lieferdatum sowie den Standort, sowie zur Existenz bzw. Funktionstüchtigkeit der Photovoltaikanlage nicht vorlegte, lehnte das FA die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs mit Bescheid vom 3. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass es sich bei der Verpachtung einer Photo...

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