Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine umsatzsteuerpflichtige Vermietung an hoheitlich tätigen Sozialversicherungsträger. Vorsteuerberichtigung infolge geänderter rechtlicher Beurteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Sozialversicherungsträger ist nach § 29 Abs. 1 des Vierten Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, erfüllt hoheitlich die ihm auf Grund von öffentlich-rechtlichen Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zugewiesenen Aufgaben und ist insbesondere deswegen kein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne, weil er z.B. nicht die Möglichkeit hat, einen Risikozuschlag zu erheben oder Versicherungspflichtige abzulehnen und nicht zu versichern. Bei einer Vermietung an einen Sozialversicherungsträger besteht für den Vermieter daher kein Wahlrecht, nach § 9 Abs. 1 UStG zur Steuerpflicht der Vermietung zu optieren.

2. Eine Änderung der für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG maßgebenden Verhältnisse kann auch dadurch eintreten, dass bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendung im Erstjahr, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist.

 

Normenkette

UStG 1993 § 9 Abs. 1-2, § 15a Abs. 1 Sätze 1-2, § 15 Abs. 2 Nr. 4, § 4 Nr. 12, § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 31.07.2007; Aktenzeichen V B 44/06)

BFH (Beschluss vom 31.07.2007; Aktenzeichen V B 44/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Korrektur des Vorsteuerabzugs nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1993 das Geschäftsgrundstück A Str. in B zum Kaufpreis 17 848 250 DM. Im Kaufpreis sind 2 348 000 DM Mehrwert-Umsatzsteuer enthalten. Der Kläger machte diesen Betrag in seiner Umsatzsteuererklärung 1993 als Vorsteuer geltend. Die Veranlagung 1993 ist bestandskräftig; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde am 15. April 1996 aufgehoben.

Der Kläger trat u. a. in den seit 18. Mai 1993 bestehenden Mietvertrag zwischen der X-Krankenkasse und der Fa. St, der Veräußerin des vorgenannten Grundstücks, ein. Nach diesem Vertrag erfolgte die Vermietung an die X mit gesondertem Ausweis der Mehrwertsteuer.

Das Gebäude weist eine Nutzfläche von 2 408 qm auf. Von diesen Flächen wurden in den Streitjahren an die X vermietet 1 327 qm, an die Y-Stiftung 146 qm und an weitere Mieter 935 qm.

Die Umsatzsteuererklärung 1994 ging am 24. Juni 1996 beim FA ein.

Anlässlich einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung (Bericht vom 14. Dezember 1999) vertrat der Prüfer die Auffassung, hinsichtlich der an die X vermieteten Gebäudeflächen habe eine Option zur Steuerpflicht nicht erfolgen können, weil die X als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht unternehmerisch i. S. des § 2 UStG tätig sei, weil sie keinen Betrieb gewerblicher Art habe. Auch die Vermietung an die Y-Stiftung habe nicht steuerpflichtig erfolgen können.

Der Beklagte (das Finanzamt FA–) folgte der Auffassung des Prüfers und nahm, ausgehend von den auf die X und die Y-Stiftung entfallenden Nutzflächen, für die Streitjahre (1994 bis 1998) eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Höhe von jeweils 143 659 DM vor.

Das FA erließ am 22. Februar 2000 (für die Jahre 1994 bis 1997) bzw. am 15. Juni 2001 (für das Jahr 1998) nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Umsatzsteuerbescheide und setzte die Umsatzsteuer des Klägers wie folgt fest: 578 091 DM (1994), 577 187 DM (1995), ./. 2 265 794 DM (1996), 834 424 DM (1997), 828 240 DM (1998). Die Einsprüche des Klägers vom 24. März 2000 bzw. vom 3. Juli 2001 verband es zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie mit Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2002 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen per Telefax am 22. März 2002 erhobenen Klage trägt der Kläger vor:

Im Streitfall habe trotz der Gesetzesänderung am 21. Dezember 1993 eine Option nach § 9 Abs. 2 UStG zur Steuerpflicht der Vermietungsumsätze erfolgen können, weil das maßgebliche Gebäude bereits vor dem 11. November 1993 errichtet worden sei, weshalb § 9 Abs. 2 a.F. anwendbar bleibe. Streitig sei nurmehr die Kürzung, die auf die an die X vermieteten Flächen entfalle. Die X sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und erfülle Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie trete in Konkurrenz zu privaten Krankenversicherungen, indem sie Mitglieder im freiwilligen Bereich anwerbe. Sie stehe aber auch im Wettbewerb zu anderen gesetzlichen Krankenversicherungen, indem sie mit einem besseren Leistungsangebot auch gegenüber den Pflichtversicherten werbe, um deren freie Wahlmöglichkeit für sich zu nutzen.

Auf den Schriftsatz des Klägers vom 15. März 2004, mit dem er ein Gutachten zur Unternehmer...

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