Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung eines Rückversicherungsbestands nicht umsatzsteuerbefreit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die entgeltliche Übertragung des Bestandes an Lebensrückversicherungen, die der Rückversicherer direkt mit Erstversicherungsunternehmen geschlossen hat, auf einen Dritten ist umsatzsteuerlich als „Lieferung” zu werten, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 UStG 1999 bestimmt.

2. Bei dieser Übertragung des Bestands handelt es sich um keinen steuerbefreiten Versicherungsumsatz i. S. von § 4 Nr. 10 UStG, sondern um eine sog. Vertragsübernahme, die bei den übertragenen Rückversicherungsverträgen nur zur Auswechslung des Vertragspartners auf der Seite des Rückversicherers führt.

3. Die Übertragung des Versicherungsbestands ist auch nicht nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei, denn diese Vorschrift dient nur als Auffangvorschrift für den Fall, dass (Hilfs-)Gegenstände geliefert werden, die zur Ausführung steuerfreier Tätigkeiten verwendet worden sind.

4. Sollte § 4 Nr. 28 UStG entgegen der Auffassung des Senats grundsätzlich anwendbar sein, so würde seine Anwendung unter Berücksichtigung der 6. EG-Richtlinie für den Teil des übertragenen Lebensrückversicherungsbestands, bei dem die Erstversicherer ihren Sitz im Drittlandsgebiet haben, ausscheiden, da insoweit ein Vorsteuerabzug möglich war (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG). Hinsichtlich des Teils des übertragenen Lebensrückversicherungsbestands, dessen Erstversicherer ihren Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet haben, hat die Klägerin den gelieferten Lebensrückversicherungsbestand nicht ausschließlich für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet, sondern für eine nicht steuerbare Tätigkeit (§ 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a i. V. m. § 3a Abs. 3 UStG). Die Vorschrift des § 4 Nr. 28 UStG kann aber nicht über ihren Wortlaut hinaus erweiternd dahin ausgelegt werden, dass sie auch die Verwendung des Versicherungsbestandes für nicht steuerbare Leistungen umfasst.

 

Normenkette

UStG 1999 § 3 Abs. 1, § 7 S. 1, § 3a Abs. 3, 4 Nr. 6 Buchst. a, § 4 Nr. 10 Buchst. a, b, Nr. 28, § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b; Richtlinie (EWG) Nr. 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.04.2008; Aktenzeichen XI R 54/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob ein Umsatz einer Organgesellschaft der Klägerin nach § 4 Nr. 28 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist.

Die Klägerin ist Organträger der X AG (–AG–vormals Y AG).

Mit Vertrag vom 21. Januar 2002 übertrug die AG rückwirkend zum 1. Januar 2002 einen Teil ihres Lebensrückversicherungsbestandes zum Preis von EUR an die Z. Auf den Wortlaut des Vertrags wird verwiesen. Die Lebensrückversicherungsverträge wurden von der AG selbst direkt mit Erstversicherungsunternehmen geschlossen. Ausweislich der Anlagen zum Vertrag betreiben alle von der Übertragung betroffenen Erstversicherer ihr Unternehmen im Ausland, und zwar zum Teil im übrigen Gemeinschaftsgebiet und zum Teil im Drittlandsgebiet. Gemäß § 2 Nr. 4 des Vertrages ist eine etwa für die Übertragung des Versicherungsbestandes anfallende Umsatzsteuer von der übernehmenden Gesellschaft zu zahlen.

Die Klägerin erklärte in einer am 21. März 2002 bei dem Beklagten (dem Finanzamt –FA–) eingereichten berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2002 steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von EUR. Hierin ist das o. g. Entgelt von EUR aus der Veräußerung des Versicherungsbestandes enthalten. Die Klägerin errechnete eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2002 in Höhe von EUR.

Das FA erließ am 27. Mai 2002 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid, in dem es die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2002 auf EUR festsetzte. Den Einspruch der Klägerin vom 12. Juni 2002 wies es mit Einspruchsentscheidung vom 26. September 2002 als unbegründet zurück.

Mit ihrer hiergegen am 15. Oktober 2002 (Eingang bei Gericht) erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Die Übertragung des Versicherungsbestands sei kein steuerpflichtiger Ausgangsumsatz, sondern eine steuerbare und nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfreie Übertragung eines Gegenstands, der zur Ausführung steuerfreier Umsätze i. S. des § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG verwendet werde. Die entgeltliche Übertragung des Versicherungsbestandes sei auch dann eine nach § 4 Nr. 28 UStG von der Umsatzsteuer befreite Leistung, wenn – wie im Streitfall – der Gegenstand zur Ausführung nicht steuerbarer Umsätze i. S. des § 3a Abs. 4 Nr. 6a UStG verwendet werde. Dies ergebe sich aus der teleologischen Auslegung der Befreiungsvorschrift mit Rücksicht auf den zugrunde liegenden Art. 13 Teil B Buchst. c der sog. 6. EG-Richtlinie. Auch der Wortlaut der Vorschrift stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Die vom FA vertretene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „steuerfreie Tätigkeit” i. S. des § 4 Nr. 28 UStG würde zur Nichtanwendung der nationalen Vorschrift wegen Unverei...

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