rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ein Ingenieur erzielt keine freiberuflichen Einkünfte, sondern gewerblich Einkünfte, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf Absatzförderung gerichtet ist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch ein Steuerpflichtiger, der die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines Katalogberufs (Ingenieur) i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, ist als Handelsvertreter gewerblich tätig, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf Absatzförderung gerichtet ist.

2. Die Ingenieurtätigkeit umfasst auch die beratende Tätigkeit, soweit die beratende Tätigkeit nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet ist.

3. Die Tätigkeit ist regelmäßig dann auf Absatzförderung gerichtet, wenn seine Tätigkeit auf Provisionsbasis, also erfolgsabhängig vergütet wird.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder freiberufliche Einkünfte erzielt.

I.

Der Kläger (geb. […] 1936) war bis 30. September 1998 als Diplomingenieur Maschinenbau als Angestellter in leitender Stellung […] für die Firma […] P-GmbH tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Interessenvertretung der Firmen […] W-GmbH und der […] S-GmbH. Nach der erfolgreichen Markteinführung dieser beiden […] Unternehmen und nachdem die mit der P-GmbH geschlossenen Kooperationsverträge ausgelaufen waren, arbeitete der Kläger als freier Mitarbeiter für diese Firmen weiter.

Mit der W-GMBH schloss der Kläger am 7. Dezember 1998 einen Dienstvertrag, in dem in § 4 Abs. 1 vereinbart ist, dass er Anspruch auf Provision für alle Geschäfte hat, die während des Vertragsverhältnisses im vereinbarten Vertragsgebiet abgeschlossen werden, auch wenn diese Geschäfte nicht unmittelbar auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Die Höhe der Provision war mit 1% bezogen auf den Netto-Umsatz vereinbart und sollte maximal pro Kalenderjahr 240.000 DM betragen (§ 6). Die vertragliche Hauptpflicht des Klägers war der Vertrieb von Produkten und Leistungen der W-GMBH (§ 2). Für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses war ein Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) vereinbart (§ 12 Abs. 3); ergänzend zum Vertrag sollten die §§ 84 ff. HGB Anwendung finden (§ 14 Abs. 1). Nachdem dieser Dienstvertrag zum 31. März 2002 auslaufen sollte, schloss der Kläger mit der W-GMBH am 17. Juli 2002 einen Freien Mitarbeitervertrag, in dem in § 4 Nr. 4.1. für externe Einsätze nur mehr ein Tageshonorar von 500 EUR festgesetzt wurde. Mit S-GMBH schloss der Kläger einen zum 1. Dezember 1998 in Kraft tretenden Kooperationsvertrag, in dem in § 4 Abs. 1 dem Kläger ein Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die während des Vertragsverhältnisses im vereinbarten Vertragsgebiet abgeschlossen werden, auch wenn diese Geschäfte nicht unmittelbar auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind, eingeräumt wurde. Auch bei dem Vertrag mit S-GMBH betrug die Provision 1% des Netto-Umsatzes; anders als bei dem Vertrag mit W-GMBH war die Provision jedoch nicht auf eine maximale Höhe begrenzt (§ 6). Als vertragliche Hauptpflicht des Klägers war vereinbart, dass er als freier Mitarbeiter und Agent der W-GMBH nach Bedarf und Möglichkeit akquisitorische Zusatztätigkeit für S-GMBH ausüben sollte (§ 2 Abs. 1). Für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses war wiederum ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB vereinbart (§ 10 Abs. 3); ergänzend zum Vertrag sollten die §§ 84 ff. HGB Anwendung finden (§ 13 Abs. 1). Außerdem schloss der Kläger mit der Schott Spezialglas GmbH (S-GmbH) einen ab dem 1. Dezember 2002 beginnenden Beratervertrag über drei Monate mit einem festen Honorar über 3.000 EUR (netto). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunden […] verwiesen.

Der Kläger erklärte in den Streitjahren Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit aus dieser Tätigkeit und bezeichnete dies in den Einkommensteuererklärungen als Industrieagentur. Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – folgte den Angaben in den Steuererklärungen und veranlagte den Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in den Streitjahren 1999 bis 2002 zur Einkommensteuer.

Bei der im Jahr 2004 durchgeführten Außenprüfung vertrat die Betriebsprüferin die Auffassung, dass der Kläger aus seiner Industrieagentur nicht als Ingenieur freiberufliche sondern gewerbliche Einkünfte beziehe, denn er sei nicht im Entwicklungsbereich sondern im Vertriebsbereich beratend für seinen Auftraggeber und für Kunden des Auftraggebers tätig. Bereits eine mittelbar verkaufsfördernde Tätigkeit sei als gewerbliche Tätigkeit einzustufen.

Das FA schloss sich der Auffassung der Betriebsprüferin an und setzte erstmals mit Bescheiden vom 11. November 2004 Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1999, 2000, 2001 und 2002 fest. Dabei legte das FA die folgenden – zwischen den Beteiligten in der Höhe unstreitigen – Gewinne aus Gewerbebetrieb von 232.908 DM für 1999, von 136.985 ...

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