rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist eine verwendete Kasse grundsätzlich manipulierbar und wird das Kassenbuch nur buchmäßig geführt, ohne den rechnerischen Soll-Kassenbestand zu ermitteln, liegen erhebliche Zweifel vor, ob die Buchführung den Vorschriften des § 146 AO entspricht. In solchen Fällen ist das Finanzamt grundsätzlich zur ergänzenden Schätzung der Umsätze befugt.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 2, § 146

 

Tenor

1. Die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide für 2001, 2002 und 2003 und der Umsatzsteuerbescheide für 2001, 2002 und 2003, alle vom 16. März 2006, wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Eine für die Jahre 2001 bis 2003 (Streitjahre) durchgeführte Außenprüfung kam zum Ergebnis, die Buchführung der Antragstellerin sei wegen Mängeln der Kassenaufzeichnung nicht ordnungsgemäß. Auch wären diverse Geldzuflüsse auf privaten Konten der Gesellschafter nicht zweifelsfrei dargelegt. Darüber hinaus fehle generell der Ausweis von 7%-Umsätzen im gesamten Prüfungszeitraum, obwohl der regelmäßige Kauf von Verpackungsmaterialien darauf schließen lasse, dass Umsätze außer Haus getätigt würden. Eintragungen von Tageseinnahmen im Rahmen eines alljährlichen Festes ohne das Vorliegen von Aufzeichnungen sowie Einnahmen in offensichtlich geschätzter Höhe in 3 Fällen würden zeigen, dass Erlöse getätigt worden seien, ohne dass entsprechende Bonierungen vorgenommen worden seien. Bezüglich der gerügten Mängel wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 10. Februar 2006 und der Stellungnahme der Prüferin vom 19. Mai 2006 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hält die Feststellungen nicht für stichhaltig.

Die Prüferin erhöhte die Erlöse durch Zuschätzungen erheblich, dabei legte sie einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag von 350 % auf den gesamten Wareneinsatz zugrunde:

2001

2002

2003

Zuschätzung Erlöse brutto:

354.779 DM

146.864 EUR

60.922 EUR

netto:

305.844 DM

126.607 EUR

52.519 EUR

Eine weitere Prüfungsfeststellung (Erfassung einer „Zahlung Strafe Landesjustizkasse” im Jahr 2002 in Höhe von 1.151,12 EUR) ist unstreitig.

Entsprechend der Außenprüfung erließ der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) am 16. März 2006 geänderte Körperschaftsteuer- bzw. Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Diese Bescheide führten zu folgenden Steuernachforderungen (in EUR):

2001

2002

2003

(sum)

Umsatzsteuer

25.020,07

20.257,12

8.402,90

53.680,09

Zinsen zur Umsatzsteuer

4.375,00

2.328,00

462,00

7.165,00

Körperschaftsteuer

25.162,21

13.290,00

2.197,00

40.649,21

Zinsen zur Körperschaftsteuer

4.401,00

1.523,00

118,00

6.042,00

Solidaritätszuschlag

1.383,92

730,95

120,83

2.235,70

Summe

60.342,20

38.129,07

11.300,73

109.772,00

Über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche vom 13. April 2006 ist noch nicht entschieden.

Ein außergerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag sowie der Bescheide über Umsatzsteuer für die Jahre 2001 – 2003 jeweils vom 16. März 2006 auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 10. Februar 2006, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist zum Teil unzulässig, im Übrigen begründet.

1) Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich auf den Solidaritätszuschlag 2001, 2002 und 2003 bezieht. Bei diesen Bescheiden handelt es sich um Folgebescheide zu den Einkommensteuerbescheiden 2001, 2002 und 2003 (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Solidaritätszuschlaggesetz 1995). Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch von Amts wegen die Vollziehung des Folgebescheids auszusetzen oder aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240). Für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Folgebescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (Beschluss des BFH vom 29. Oktober 1987 VIII R 423/83, BStBl II 1988, 240).

2) Im Übrigen ist der Antrag begründet.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998...

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